„Christliche Freiheit heißt immer auch Fürsorge und Sich-Anrühren-Lassen von der Not des Nächsten“, sagte am Donnerstagabend, 1. Dezember, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und bayrische Landesbischof Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm beim Adventsempfang der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg.
In seinem Gastvortrag zum Thema „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ in der Oldenburger St.-Lamberti-Kirche bezog sich Bedford-Strohm auf die gleichnamige Schrift Martin Luthers. „Freiheit ist immer nur dann Freiheit, wenn sie nicht gegen die Nächstenliebe, sondern mit der Nächstenliebe zusammen gedacht wird“, betonte er. „Und das, was in diesem Freiheitsverständnis drinsteckt, das haben wir nun gerade in Deutschland in den letzten Monaten eindrucksvoll erlebt. Die Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge in unserem Land im letzten Jahr hat deswegen etwas Historisches, weil sie gezeigt hat, welche empathische Kraft in unserem Land steckt“, so der EKD-Ratsvorsitzende. Das Thema „Freiheit“ sei, wie man heute sage, ein „Mega-Thema in der öffentlichen Debatte“. Es sei ein Thema, „das tief in unsere Geschichte, tief in die Geschichte der Völker eingeschrieben ist“.
Dieses Verständnis von Freiheit habe auch gewichtige Konsequenzen für das öffentliche Leben, für die Politik und die Wirtschaft. Dieses könne man in der Unternehmerdenkschrift der EKD nachlesen, die im Jahr 2008 verabschiedet wurde, sagte Bedford-Strohm. Ausgehend von der Definition der Menschenwürde benenne die Denkschrift deutlich die Grenzen wirtschaftlichen Handelns: Da, wo Menschen völlig unabhängig von ihrer eigenen Existenz nur Zahlen und nur Mittel sind, um den Profit zu erhöhen, da werde eben das Kriterium der Menschenwürde nicht eingehalten. „Wenn Menschen sich nicht mehr trauen, krank zu sein, weil sie Angst haben müssen, entlassen zu werden, dann wird dieses Kriterium, dass der Mensch selbst Zweck ist und nicht nur Mittel zum Zweck, verletzt.“
Am Ende seines Vortrages plädierte der EKD-Ratsvorsitzende für eine „authentische öffentliche Kirche der Freiheit“. Das sei eine Kirche, die ausstrahle, wovon sie spreche. Natürlich auch in der Hoffnung, „dass die Menschen da, wo sie das sehen, wie Christenmenschen miteinander umgehen, auch neugierig werden und wissen wollen, aus welcher Kraft diese Menschen eigentlich leben.“ Denn die christliche Botschaft habe eine große Kraft genau in die Fragen hinein, die für die modernen, ganz säkularen Menschen von heute die zentralen Lebensfragen seien. Zugleich könne eine „Kirche der Freiheit“ nur eine „ökumenisch ausgerichtete Kirche sein“, hob Bedford-Strohm hervor. Dabei seien sie jeweiligen Traditionen „Türöffner für den ganzen Reichtum, der sich uns auftut, wenn wir Christus nachjagen“. Und schließlich sei die „Kirche der Freiheit“ auch eine „Kirche der wahren Lebenskunst“. Das Bewusstsein der Endlichkeit lehre, bewusst zu leben. „Dankbar sollten wir schon jetzt all die Menschen um uns herum als Geschenk Gottes zu nehmen, die uns lieb sind – und sie nicht erst dann zu vermissen, wenn sie nicht mehr da sind.“
Hier können Sie sich die Rede des EKD-Ratsvorsitzenden Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm anhören:
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Zu Beginn des Adventsempfangs betonte Bischof Jan Janssen in seiner Andacht, dass die Erwartung des Advents mehr als passives Abwarten sei. Sie setze in verhärteter Kommunikation auf das gute Wort. „Diese hoffnungsvolle Erwartung hält Migration nicht für eine Krise – die Ursachen dafür allerdings schon. Diese Hoffnung hält Migration und Mobilität für uralte Existenzformen des Menschen, die einen immer neuen, konstruktiven Lernprozess zum Miteinander freisetzen.“ Auch halte die Erwartung des Advents eine andere Welt für möglich. „Sie hält sich nicht für allein auf der Welt“, sagte Janssen. „Diese hoffnungsvolle Erwartung bringt sich ein im Ehrenamt oder im Dienst der Kirchen, was auch unsere Gesellschaft menschlicher macht.“
Und schließlich stärke die Erwartung des Advents die Menschen über alle Eiszeiten und soziale Kälteperioden hinaus. Diese Erwartung lasse sich von böser Bilanz nicht verdrießen, sie feiere jede Veränderung zum Guten, ob zum gelingenden Miteinander im Oldenburger Land, zur Erneuerung der Kirche in der Reformation, zum grenzübergreifenden Dialog in Europa oder zur hilfreichen Partnerschaft zwischen Süd- und Nordhälfte dieser Erde. „Diese hoffnungsvolle Erwartung ist auch bei uns zu spüren von den hoch qualifizierten Kindertagesstätten über begeisternde Jugendarbeit bis hin zu freiwilligen Einsätzen und Hilfsprojekten“, so Janssen.
Im Anschluss an den Vortrag von Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm bestand Gelegenheit zu Begegnung und Gesprächen. Der alljährliche Adventsempfang der oldenburgischen Kirche wurde musikalisch von Ann Kristin Thale Winterthun aus Florø/Norwegen und Kreiskantor Thorsten Ahlrichs aus Ganderkesee mit norwegischen Adventsliedern gestaltet.
Die Andacht von Bischof Jan Janssen zum Auftakt des Adventsempfanges finden Sie hier.