Die Diskussionen um die BSE-Krise und ihre Bewältigung haben erneut belegt, worin eine der Stärken der evangelischen Kirche in Gemeinde und Gesellschaft liegt. Pfarrer und Pfarrerinnen der oldenburgischen Kirche haben sich – wie auch in anderen Krisen- und Notfallsituationen – der Menschen und Betriebe seelsorgerlich angenommen, die in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind und an dem Sinn und Wert ihrer Arbeit zu zweifeln begonnen haben. Es ist eine zusätzliche Belastung, wenn Kinder aus bäuerlichen Familien in der Schule als BSE-Kinder diskriminiert werden. Dazu hat die öffentliche Diskussion mit ungeklärten medizinischen Fragen, mit vorschnellen Schuldzuweisungen und einem daraus resultierenden verunsicherten Verbraucherverhalten erheblich beigetragen. Allerdings bedauere ich es, wenn in diesem wie in manchen anderen Fällen vereinzelte kirchliche Stellungnahmen zusätzlich Öl in das Feuer der Diskussion gießen. Wenn mit hohem moralischen Anspruch im Gleichklang mit Tierschutzverbänden behauptet wird, die mögliche Schlachtung von 400.000 Rindern sei ethisch nicht zu verantworten, so kann ich darüber nur den Kopf schütteln. Wöchentlich, monatlich, jährlich werden zigtausende von Kälbern und Rindern nur deshalb geschlachtet, weil die Verwertung des Fleisches auf den Speiseplänen auch der Familien steht, die vor der Mahlzeit ein Tischgebet sprechen. Rinder werden überhaupt nur gehalten, weil sie geschlachtet und verwertet werden sollen. Sicherlich ist die Vorstellung, dass eine so große Anzahl von Tieren getötet werden soll, wenn man einzelne Lebewesen vor Augen hat, mitleiderregend. Aber es wird uns doch nur vor Augen geführt, was sonst ohne weitere Bedenken gang und gäbe ist. Darum bin ich froh, dass der Umweltbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland, Hans Diefenbacher, mit dem heutigen Datum (5. Februar 2001), die geplante Schlachtung von 400.000 Rindern verteidigt. „Tiere müssen getötet werden, wenn sie Menschen gefährden oder wenn Menschen sich von ihnen ernähren“, erklärte der Volkswirt und Umweltökonom in Hannover. „Zwar empfänden viele Menschen Trauer, Wut oder Hilflosigkeit angesichts der Überlegung, die Rinder nur deshalb zu töten, weil sie sich nicht mehr vermarkten ließen. Es sei aber schon immer das Schicksal dieser Tiere gewesen, geschlachtet zu werden.
Viele Menschen würden nun erkennen, dass Niedrigpreise für Lebensmittel erst durch die Nutzung der Tiere als Ware möglich seien. Angesichts der BSE-Krise sei es wichtig, Schritte zu überlegen, die eine Umstellung in der Landwirtschaft begünstigen. Ein Umdenken zu einer nachhaltigen, standortgerechten Landwirtschaft benötige aber einen sehr langen Atem. Zudem verteuerten sich dadurch die Nahrungsmittel, und die rund ums Jahr Verfügbarkeit aller Nahrungsmittel werde reduziert.
Ein Umsteuern werde nur dann erfolgreich sein, wenn sich die Menschen bewusster mit der Art der Ernährung befassten und ihren Lebensstil teilweise umstellten. Außerdem müssten die Landwirte massiv unterstützt werden, die sich aus eigener Kraft nicht aus dem ruinösen Wettbewerb lösen können.“