Besuch von Burgert Brand, Bischof der deutschsprachigen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Namibia, hatte jetzt die Christus- und Garnisonkirche in Wilhelmshaven. Grund für den Besuch war die Tafel, die an den Krieg gegen die Herero und Nama im damaligen Deutsch-Südwest-Afrika zu Beginn des 20. Jahrhunderts erinnert. Vor gut zehn Jahren wurde in der Christus- und Garnisonkirche die Erinnerungstafel verfremdet, sodass heute ein Denkmal auf mehreren Ebenen zu sehen ist. Bischof Burgert wollte sich das vor Ort ansehen, weil auch in der Kirche in der namibischen Hauptstadt Windhoek, die übrigens ebenfalls Christuskirche heißt, eine solche Erinnerungstafel vorhanden ist, die nun verfremdet werden soll.
In der Christus- und Garnisonkirche in Wilhelmshaven sind viele Erinnerungstafeln befestigt, die an unterschiedliche Kriege und die Gefallenen erinnern. Der Völkermord an den Herero und Nama geschah nach Aufständen gegen die deutsche Kolonialmacht in den Jahren 1904 bis 1907. Die Tafel in der Kirche erinnert an die Toten auf deutscher Seite, viele Soldaten waren damals von Wilhelmshaven aus aufgebrochen.
Als sich im Jahr 2004 die Ereignisse zum hundertsten Mal jährten, war im Gemeindekirchenrat beschlossen worden, das Gedenken auf eine weitere Ebene zu stellen. Es wurde eine Plexiglasscheibe angebracht, sodass die Namen im Hintergrund noch zu lesen sind. Im Vordergrund aber findet nun eine geschichtliche Auseinandersetzung statt, es gibt ein zeitgenössisches Bild und einen Text, der das Leid das Herero und Nama skizziert.
In Windhoek gibt es in der Christuskirche eine sehr große Erinnerungstafel, auch hier sind ausschließlich die Namen der Toten evangelischen Christen auf deutscher Seite festgehalten. Auch hier stellte sich die Frage, wie man mit dem schweren Erbe umgehen soll. Durch Reinhard Mawick, Chefredakteur von „Zeitzeichen“, der aus Wilhelmshaven stammt, entstand der Kontakt zwischen den Wilhelmshavener Pastoren Frank Morgenstern und Bernhard Busemann mit Bischof Burgert Brand, übrigens der erste Bischof in Namibia, der in Afrika geboren wurde. Bisher kamen alle aus Deutschland.
Seit Anfang 2015 ist er im Amt, leitet eine Kirche mit rund 5.200 Mitgliedern in 13 Gemeinden auf einer Fläche, die mehr als zweimal so groß ist, wie Deutschland.
Die Christuskirche in Windhoek gilt als Wahrzeichen der Stadt, viele Touristen besuchen das Gotteshaus. Das werde sich im kommenden Jahr mit dem Reformationsjubiläum noch steigern, meint Brand. Im Mai kommt auch der Lutherische Weltbund zu seiner Vollversammlung in Windhoek zusammen. Bis dahin soll die Geschichte um die Herero und Nama ähnlich wie in Wilhelmshaven auch von der historischen Seite dargestellt sein.
Man habe sich innerhalb der Kirchengremien bereits einstimmig auf eine Plexiglaswand geeinigt, so Brand. Doch die Details müssten nun festgelegt werden. So werde es wohl nicht ausreichen, nur einsprachig zu arbeiten, wie in Wilhelmshaven. Ziel sei es, über diese Ereignisse mit der ganzen Welt ins Gespräch zu kommen.
Dabei ist die Diskussion in Namibia ungleich komplexer als in Deutschland. Dort sei bei Wissenschaftlern unter anderem noch nicht geklärt, ob es sich überhaupt um einen Völkermord handele. Darüber hinaus seien die Herero und Nama nicht zufrieden mit der Lösung, dass Namibia für sie zum Beispiel über eine Entschädigung verhandele, berichtete der Bischof.
In diese Problemstellungen will sich Burgert Brand aber nicht einmischen. Ihm geht es um Gespräche, um Frieden und Versöhnung. Dazu soll die veränderte Erinnerungstafel beitragen.
Ein Beitrag von Annette Kellin.