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Unter dem Motto «Reformation neu feiern: Demokratie stärken» begehen die evangelischen Kirchen in Niedersachsen den Reformationstag. Dabei wenden sie sich gegen Antisemitismus an einem Feiertag, dessen Einführung bei Juden auf Kritik stieß.

 

Hannover/Oldenburg (epd). Evangelische Bischöfe in Niedersachsen haben vor dem Reformationstag am 31. Oktober zum Einsatz gegen Antisemitismus aufgerufen. Nach dem Überfall der Hamas auf Israel vor gut einem Jahr seien Übergriffe auf Juden in Deutschland massiv gestiegen, beklagte der Ratsvorsitzende der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen, Bischof Thomas Adomeit aus Oldenburg. «Dass Jüdinnen und Juden sich in unserem Land nicht mehr sicher fühlen, erschüttert mich zutiefst. Als Christinnen und Christen sind wir hier zu lautstarker Solidarität aufgerufen.»

Als der Reformationstag vor sechs Jahren in Niedersachsen zum gesetzlichen Feiertag wurde, hatten jüdische Vertreter dies mit Blick auf die Judenfeindlichkeit des Reformators Martin Luther (1483-1546) kritisiert. «Dieses Thema wird nie ausgeräumt sein», sagte Adomeit. «Es gehört zu unserem kritischen Erbe genauso wie jede Form von Antisemitismus, die sich die Kirche durch die Jahrhunderte vorwerfen lassen muss.»

Adomeit und der hannoversche Landesbischof Ralf Meister blickten zugleich auf zahlreiche Veranstaltungen, mit denen die Kirchen den Feiertag als einen Tag des gesellschaftlichen Zusammenhalts begehen. In diesem Jahr ist das Motto «Reformation neu feiern: Demokratie stärken». Meister verwies darauf, dass die hannoversche Kirche seit Einführung des Feiertages den Vorabend des 31. Oktobers unter das Thema Judentum und Reformation stelle: «Dieses Format gehört jetzt fest zum Reformationstag in der Landeskirche dazu und das wird nach meinem Eindruck auch von unseren jüdischen Geschwistern positiv gesehen.»

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) betonte, der Reformationstag biete Gelegenheit, über den Zustand der Demokratie und die Verantwortung jedes Einzelnen für die Gemeinschaft nachzudenken. Das Datum stehe neben dem kirchlichen Umbruch auch für einen politischen Einschnitt, der bis heute nachwirke. Weil hatte sich seinerzeit für den Feiertag starkgemacht.

Der niedersächsische Antisemitismusbeauftragte Gerhard Wegner dagegen sieht das Vorhaben, den Reformationstag dem gemeinsamen gesellschaftlichen Nachdenken zu widmen, noch nicht ausreichend erfüllt. «Zu sehr ist das Thema Reformation durch Luthers Ausfälle gegen Jüdinnen und Juden belastet», erläuterte er. «Luthers Obsession mit der Gewalt lässt ihn nur schwer feiern.»

Im Kampf gegen den Judenhass erhoffe er sich viel von der Kampagne «Niedersachsen gegen Antisemitismus», die am 7. November gestartet werde, sagte Wegner. «Hier wird sich die niedersächsische Zivilgesellschaft klar zu Jüdinnen und Juden bekennen.»

Meister kündigte überdies eine Zertifizierung von Kirchengemeinden und kirchlichen Einrichtungen an, die sich in besonderer Weise gegen Antisemitismus einsetzen. Das Engagement werde nicht nachlassen, sagte er: «Ganz im Gegenteil.»

Adomeit zeigte sich besorgt angesichts der weltpolitischen Lage: «Auf der einen Seite das ständig bedrohte Existenzrecht Israels, auf der anderen Seite die Gewalt und die Zerstörung in Gaza und im Libanon.» Diese Spannung sei kaum auszuhalten. «Die christliche Botschaft zum Einsatz für den Frieden, die den Kreislauf von Rache und Vergeltung durchbricht, ist mir in dieser Situation Mahnung und Halt zugleich.»