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Der Marburger Kunstexperte hielt im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten der Kirchbaustiftung der Evangelisch-Lutherischen Kirche einen Vortrag zum Thema „Lutherische Bildfrömmigkeit“. Die oldenburgische Kirche feiert das zehnjährige Bestehen ihrer Kirchbaustiftung mit einer Reihe von Jubiläumsveranstaltungen. Vom 26. August bis zum 30. Oktober finden sieben Veranstaltungen an sechs Orten – von der Nordseeküste bis zu den Dammer Bergen – statt, in denen die wichtigsten Themen der Arbeit der Stiftung anhand ausgewählter geförderter Projekte vorgestellt werden sollen.

 

Weiterhin betonte Erne, dass sich einige der „Folgen Luthers für die Kunst“ erst „heute in der Kunst“ zeigten. „Die prozessuale Form der Kunst, die sich an der Interaktion, dem Experiment und dem Effekt orientiert, das ist die Seite der Gegenwartskunst, die einer evangelischen Religionspraxis zugewandt ist“, so Erne.

 

Mit Blick auf die Zeit der Reformation führte Erne aus, dass das Bild des Protestantismus jedoch die bilderlosen Kirchenräume geprägt hätten. „Der Prototyp einer evangelischen Kirche ist demnach der calvinistische Betsaal, dessen leerer Tisch, leerer Chor, leere Wände, die Folgen der reformierten Kritik am Bild demonstriert. Der konservativere Umgang mit den Bildern in lutherischen Kirchenräumen, die bewahrende Kraft des Luthertums in Bezug auf mittelalterliche Kunstwerke, falle in dieser Gegenüberstellung von evangelischer Leere und katholischer Fülle unter den Tisch.

 

Das lutherische Bildprogramm sei christologisch zentriert und biblisch orientiert, so Erne. Im Wesentlichen konzentriere es sich dabei auf Passion und Auferstehung Christi, Szenen aus dem Leben Jesu, biblischen Szenen zu dogmatischen Topoi und Katechismusdarstellungen. Entsprechend würden die Bilder des lutherischen Bildprogramms als Bekenntnis-, Erinnerungs-, und Erzählbilder charakterisiert, die gegebenen Inhalten aus Bibel und Bekenntnis dienten. „Die Bilder im lutherischen Kirchenraum wollen folglich keine autonome Kunst sein. Es ist religiöse Gebrauchskunst mit illustrativen Charakter“, so Erne.

 

Luthers Freigabe der Bilder setze einen komplexen Bildgebrauch in populär-religiöser Absicht frei. Bilder dienten im Raum der Kirche der protestantischen Selbstvergewisserung und der symboldidaktischen Vermittlung des Glaubens. „Es sind Erinnerungszeichen, Argumentationshilfen, katechetische Unterweisung und ‚Early Comicstrips’. Das alles sind bemerkenswerte Formen einer Popularisierung der Religion mit Hilfe illustrativer Bildformate, Flugschriften, Altarbilder, Kanzelbilder, Emporenbilder etc. Sie sorgen für die erfolgreiche Ausbreitung und Akzeptanz lutherischer Lehre und Frömmigkeit in breiten Schichten der Bevölkerung“.

 

Laut Erne sind Bilder im evangelischen Kirchenraum Kunstwerke zum religiösen Gebrauch. Es seien nicht Kunstwerke an sich, sondern Kunstwerke für die Menschen. Allerdings bestehe die Gefahr, dass das Bild im evangelischen Kirchenraum dem Illustrativen verhaftet bleibe. Das Verhältnis von Bild und Wort im Kirchenraum, auch in Predigten, die Filme einbezögen, werde in der Regel von inhaltlichen Bezügen und Analogien her organisiert, weniger von der Inszenierung, der medialen Form des Bildes, seiner narrativen Struktur und szenische Dramaturgie.

 

Die evangelischen Kirchen könnten und müssten Laboratorien sein, Orte „permanenter Konferenz“, wie es Joseph Beuys gefordert habe, so Erne. Seiner unabschließbaren Darstellungslogik nach sei das Christentum, jedenfalls in evangelischer Perspektive, eine noch nicht abgeschlossene Weltreligion, die den Stoff ihrer eigenen Überlieferung als Energieträger behandele und in der prozessualen Form der Gegenwartskunst dem uneingelöste Potential einer von Luther inspirierten Bildtheologie ansichtig werde, betonte der Kunstexperte.

 

Die Kirchbaustiftung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg wurde am 31. Oktober 2001 gegründet. Seit dieser Zeit hilft sie den Gemeinden im Oldenburger Land, die Kirchen mit ihrer architektonischen Vielfalt und ihrem Reichtum an wertvollen Ausstattungsstücken zu bewahren und weiterzuentwickeln. Die Vielfalt an Kirchenarchitektur in Norddeutschland – insbesondere im Oldenburger Land – ist riesig. Allein zum Bereich der oldenburgischen Kirche gehören 147 Kirchen mit einem beeindruckenden Reichtum an kunsthistorisch bedeutender Ausstattung wie Kanzeln, Altären, Taufsteinen und Orgeln aller Stilepochen.

 

In den vergangenen zehn Jahren wurden 29 Projekte unterstützt, neue Kostbarkeiten geschaffen und historische Kunst- und Kulturschätze für die Nachwelt erhalten. Nahezu 450.000 Euro wurden dafür von der Kirchbaustiftung bereitgestellt, deren Stiftungskapital inzwischen rund 1,39 Millionen Euro beträgt.

 

Laut ihrer Satzung ist die Kirchbaustiftung eine gemeinnützige und kirchliche Stiftung. Sie trägt zur Pflege, Unterhaltung und Veränderung von Kirchengebäuden einschließlich ihrer Ausstattung wie Altären, Kanzeln, Taufsteinen, Orgeln und Glocken bei. Hinzu kommen Aufgaben beim Neubau oder bei der Erweiterung von Kirchen sowie die Förderung zeitgenössischer kirchlicher Kunst – beispielsweise bei der künstlerisch gestalteten Verglasung von Fenstern oder der Schaffung neuer Altarbilder.

 

Die Kirchbaustiftung stellt regionale Bezüge her, sämtliche Spenden-, Förder- und Stiftungsgelder werden für Maßnahmen im Oldenburger Land verwendet. Sie wirkt in außerordentlichem Maße identitätsstiftend. Weiterhin unterstützt die Kirchbaustiftung das ehrenamtliche Engagement. Sie engagiert sich insbesondere bei Projekten, in denen Kirchengemeinden oder Kirchbauvereine vor Ort aktiv sind.

 

Der Auftakt für die Jubiläumsveranstaltungen wurde am 26. August in der St.-Cosmas- und Damian-Kirche in Wiarden bei Wilhelmshaven gefeiert. Dort wurden 2004 bei Restaurierungsarbeiten Teile eines Altars aus dem 13. Jahrhundert entdeckt, der in der Wissenschaft als Sensationsfund gewertet wurde. Anfang September stand die Kanzel der St. Galluskirche in Altenesch im Mittelpunkt der zweiten Veranstaltung, Taufe war das Thema der dritten Veranstaltung Mitte September in der St.-Firminus-Kirche in Dötlingen. Zur zentralen Festveranstaltung am 30. September in der Oldenburger St. Lamberti-Kirche hielt die Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Petra Bahr, einen Vortrag zum Thema „Räume des Unverfügbaren – Künste und Kirche heute“. Es folgen eine weitere Vortragsveranstaltung in Wiefelstede sowie zum Abschluss ein Gottesdienst mit Kreispfarrer Michael Braun am 30. Oktober in Damme.

 

Weitere Informationen zur Kirchbaustiftung finden Sie unter: www.kirchbaustiftung-oldenburg.de

Evangelische Kirchen könnten und müssten Laboratorien sein, Orte „permanenter Konferenz“, so Prof. Dr. Thomas Erne, Direktor des Marburger Instituts für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart. Fotos: ELKiO/D.-M. Grötzsch
Moderiert wurde der Vortragsabend von Pfarrerin Silke Steveker.
Denkmalschutzexperte Achim Knöfel stellte die umfangreiche Innenrenovierung der Oldenburger St. Lamberti-Kirche vor.