Hannover/Osnabrück (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hat zum Jahrestag des rassistischen Anschlags von Hanau dazu aufgerufen, die Opfer nicht zu vergessen und Rassismus entgegenzutreten. In einem am Freitag bei Facebook veröffentlichten Video sagte der oberste Repräsentant der deutschen Protestanten: «Wir haben fast schon wieder vergessen, was damals passiert ist. Die Angehörigen der Opfer aber leiden bis heute.» Unterdessen warnte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, vor eine Spaltung der Gesellschaft.
«Ich wünsche mir im allgemeinen Diskurs und auch in der medialen Berichterstattung, dass stärker betont wird: Das waren Deutsche. Das waren unsere Landsleute, die angegriffen wurden», sagte Mazyek der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Freitag): «Der Terrorist will Spaltung und Menschen erster und zweiter Klasse darstellen. Deshalb müssen wir auch in unserer Sprache klarmachen, dass wir uns nicht entzweien lassen.»
Am 19. Februar 2020 hatte ein 43-jähriger Deutscher im südhessischen Hanau an mehreren Orten neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschossen. Anschließend tötete er seine Mutter und sich selbst. Ein Gutachten diagnostizierte bei dem Täter paranoide Schizophrenie, gepaart mit rassistischer Ideologie. Zur Gedenkfeier am Jahrestag werden für den frühen Abend neben anderen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) in der Stadt erwartet.
Der EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm sagte: «Ja, in Deutschland gibt es Rassismus. Offenen und versteckten. Jeder möge sich selbst daraufhin prüfen.» Am Jahrestag des Anschlags von Hanau aber seien Trauern und Mitfühlen das Wichtigste. «Trauern um kostbare Menschen, die der Gewalt zum Opfer gefallen sind. Und Mitfühlen mit dem Schmerz der Angehörigen, die ihre Lieben so sehr vermissen», sagte der bayerische Landesbischof.
Mazyek forderte eine lückenlose Aufklärung des Anschlags. Es seien Fehler passiert. Beispielsweise seien in der Tatnacht viele Notanrufe getätigt worden, die von der Polizei nicht angenommen wurden. Auch müsse geklärt werden, ob in einer Shisha-Bar wirklich die Notausgänge verschlossen waren.
Die Gefahr rassistischer Angriffe sei nach wie vor groß, sagte Mazyek. Punktuell würden Schutzmaßnahmen erhöht, aber das sei noch nicht ausreichend. «Wir brauchen ein noch klareres Bewusstsein in den Innenministerien, dass rechtsextreme Anschläge, zum Beispiel auf Muslime, keine abstrakte Gefahr sind, sondern eine konkrete», sagte er.