Unter dem Thema „Aufrichtung und Schönheit“ feierten Tango-Geübte und -Ungeübte, Gottesdienst-Erfahrene und -Unerfahrene am vergangenen Samstag, 11. August, einen Tango-Gottesdienst in der vollen Delmenhorster Stadtkirche.
Bereits zu der Tango-Schnupperstunde vor dem Gottesdienst um 17 Uhr waren über 50 Interessierte gekommen, die eng und paarweise auf der extra in der Kirche verlegten Tanzfläche erste Tango-Schritte versuchten. Unter der Anleitung der einfühlsamen Tangolehrer Michael und Monica Hirsch-Reinshagen übten sie aufgerichtet zu gehen und aufeinander bezogen der Musik zu folgen.
Dann läuteten die Glocken und die Kirche begann sich zu füllen. Der Gottesdienst wurde eröffnet durch die liturgische Eingangsmusik Saul Cosentinos „Tangomania“ am Flügel zu vier Händen kraftvoll und leidenschaftlich gespielt von Pop-Kantorin Karola Schmelz-Höpfner und ihrem Klavierpartner Tim Cronshage.
Kreispfarrer Bertram Althausen begrüßte die zahlreiche Gemeinde aus Nichttänzern und Tänzern mit dem bezeichnenden Satz „Die Liebe, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns.“ Musik und Tanz seien Gotteslob und in diesem Tango-Gottesdienst seien alle eingeladen, dies auch tanzend auszudrücken. Doch zuerst gestaltete das Tanzlehrerpaar aus Dortmund einen Psalmtanz zu Psalm 98 „Spielt Gott ein neues Lied“ als irreales Schattenbild auf einer weißen Leinwand während Kreispfarrer Althausen den Psalm betete. Ein getanztes Bild von Nähe, Ruhe und körperhafter Innigkeit. Und das zur leidenschaftlich-hitzigen Musik des Klavierduos mit Cosentinos „El nuevo tango“. Anschließend ließ Althausen ein engagiertes „Lob des Tanzes“ erklingen und endete mit Augustinus: „Oh, Mensch, lerne tanzen, sonst wissen die Engel im Himmel mit Dir nichts anzufangen.“ Nach dem folgenden Tanz des Tangopaares zur Musik der Pop-Kantorin und ihres Klavierpartners gab es großen Applaus. Der Tanz erzählte von Nähe, aber auch von Werbung und Verweigerung, von Anziehen und Abstoßen, von alten Geschlechterrollen, die der Tango bei aller Spiritualität ja immer noch kennt.
In seiner Predigt schloss Kreispfarrer Althausen direkt an die „Schönheit“ dieses getanzten Tangos an: „Welche Anmut, welche Leidenschaft, welch harmonische Bewegung zu so gefühlvoller Musik. Und welch ein wunderbar aufeinander bezogenes Zusammenspiel der Tänzerin und des Tänzers. Das ist für mich schön, wunderschön.“ Und es sei „göttlich“, wie Althausen an dem biblischen Satz „An der Aufrichtung und Schönheit von uns Menschen lässt sich Gott als Schöpfer wie in einem Bild erkennen“ mehrmals belegte. Schön sei der Mensch überhaupt, auch mit den Falten, die ein Leben eingegraben haben, die uns ausmachen, uns schön sein lassen. Und Althausens Schönheitsbegriff schloss auch den Begriff der „Aufrichtung“, des „Aufrecht-Seins“ mit ein, das die Schönheit eines Menschen ebenfalls ausmacht: „Tango geht überhaupt nur so, dass beide sich in eigener Aufrichtung begegnen und dann umeinander bewegen. Wer sich aufrichtet nach oben – der wird schön sein, schön aussehen, schön strahlen. Die Tangotänzer machen es uns vor.“
Dann wurden alle eingeladen zu gemeinsamen Tanzschritten in großer Runde. Und die Gottesdienst-Teilnehmer machten sich im wahrsten Sinn des Wortes „auf den Weg“. Alle standen auf und kamen nach und nach aus den Bänken nach vorne, als hätten sie darauf gewartet, alle gemeinsam in Aufrichtung und Ebenbildlichkeit. Sie bewegten sich wie in einem "Strudel" um die Tanzfläche, die ja gar nicht alle fassen konnte, und ließen sich bewegen hinein bis in die Umarmung. Der Gottesdienst endete mit einem Tango-Segen, getanzt, musiziert und zugesprochen: „Seid gesegnet - aufrecht und schön.“ Aus dem Tangopaar wurden zwei, die mittanzten, und dann mehr und mehr, und tanzend endete der Gottesdienst.
„Diese Begegnung und dieser Gottesdienst haben mich berührt und bereichert“, so verabschiedete sich ein Teilnehmer. Danach folgten noch viele der Einladung zum Offenen Tango-Tanzen in der Kirche bis hinein in den Abend.