Braunschweig/Hannover (epd). Der neue niedersächsische Antisemitismus-Beauftragte Gerhard Wegner kann es nicht nachvollziehen, dass die Staatsanwaltschaft Braunschweig die Ermittlungen gegen einen Rechtsextremen wegen «Judenpresse»-Rufen eingestellt hat. «Da beschimpft einer Journalisten als 'Judenpack', und weil das keine Juden sind, soll es erlaubt ein - das ist absurd», sagte der Theologe am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der jüdische Verbandschef Michael Fürst rief die Staatsanwaltschaft unterdessen auf, den Beschuldigten vor Gericht anzuklagen.
Die Staatsanwaltschaft hatte im Februar ihre Ermittlungen wegen antisemitischer Volksverhetzung und Beleidigung gegen ein Mitglied der Partei «Die Rechte» zum zweiten Mal eingestellt. Ausgangspunkt sind Rufe des Mannes am Rande einer Demonstration am Volkstrauertag 2020. Er soll Pressevertretern die Worte «Judenpresse», «Judenpack» und «Feuer und Benzin für euch» entgegengerufen haben. Der Vorfall ist durch ein Video dokumentiert.
Die Staatsanwaltschaft argumentierte, die Rufe hätten sich nicht direkt gegen Juden gerichtet, sondern gegen Medienvertreter. Zwar erfüllten sie den Tatbestand der Beleidigung. Allerdings könnten nur die beleidigten Personen selbst innerhalb einer bestimmten Frist einen Strafantrag stellen. Dies sei nicht geschehen.
In dem seit Tagen öffentlich ausgetragenen Streit um die juristische Einordnung des Vorfalls sagte Fürst der «Braunschweiger Zeitung»: «Es muss vors Gericht, ein Richter muss entscheiden.» Die Einstellung des Verfahrens sei «völlig untragbar». Die Staatsanwaltschaft müsse erkennen, dass Rufe wie diese in der NS-Zeit zu millionenfachem Mord an den Juden geführt hätten. Sie dürfe solche Vorfälle nicht einfach hinnehmen, betonte der Präsident des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen.
Gegen die Einstellung der Ermittlungen haben bisher zwei jüdische Verbände sowie eine Verwandte von Holocaust-Opfern Beschwerde eingelegt. Fürst hatte sich zudem mit einem Brief an die niedersächsische Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) gewandt.
Wegner sagte über die Entscheidung der Staatsanwälte: «Das verharmlost völlig die Funktionsweise von Antisemitismus.» Judenhass breite sich oft beiläufig und nebenbei aus, sagte der evangelische Theologe. «Das ist seine besonders gefährliche Seite.» Er wolle jetzt das Gespräch mit der Staatsanwaltschaft suchen, kündigte Wegner an. Die Staatsanwaltschaft selbst hatte auf epd-Anfrage betont, sie bleibe bei ihrer Einschätzung.