Andacht zum Wochenspruch Sonntag Judika – Woche vom 29. März bis zum 4. April 2020
„Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele.“ (Matthäus 20,28)
Liebe Leserinnen und Leser,
kaum ein Bibelwort wird vom Alltag heute so eingeholt und bestätigt wie dieses: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele.“
Dass jemand sein Leben riskiert und hergibt, finden wir nicht nur im Leben von Jesus Christus wieder. Tausende sind seinem Beispiel gefolgt. Ihre Liebe, ihre Zuwendung war so groß, dass sie vor dem Tod nicht Halt gemacht haben. Immer wieder setzen Menschen ihr Leben auf`s Spiel, damit andere gerettet werden und leben können. Ob berühmte Menschen wie Mahatma Ghandi, Martin Luther King, Edith Stein, Dietrich Bonheoffer oder unbekannte Menschen unserer Zeit: Die Mutter, der Vater und andere, die das Leben hergeben, damit ihre Lieben gerettet werden. Ob mit einer Organspende oder im Rettungseinsatz: Menschen riskieren ihr Leben, damit andere leben können.
Mir ist es diese Tage in den Zeiten der Corona-Krise wieder vor Augen geführt worden. Ein Priester in Norditalien verzichtet auf das Nutzen des Beatmungsgerätes zugunsten eines anderen – und stirbt. Pflegekräfte kümmern sich trotz fehlender oder mangelhafter Schutzkleidung um Kranke, aus Liebe zum Mitmenschen. Sie riskieren dabei ihre Gesundheit, oft das Leben. Ärztinnen und Ärzte arbeiten bis zum Umfallen, riskieren Gesundheit und Lebensfreude, aus Achtung vor dem Lebenswunsch des anderen. Mitarbeiterinnen an den Kassen in den Supermärkten zeigen Mut und Rückgrat, damit andere die Mittel zum Leben haben. Das ist riskant, manchmal gar lebensgefährlich. Es gibt viele Beispiele mehr.
Nein, das hätte, müsste, dürfte … alles nicht sein. Doch die Wirklichkeit holt uns aus den Träumen eines stets behüteten Lebens in den Alltag zurück. Passion, Leiden, das Leben riskieren. Dies sind keine Schlagwörter sondern bittere Wirklichkeit.
Nein, keiner soll sein Leben riskieren müssen. Ausreichende Schutzkleidung muss besorgt werden. Alle Patienten und Patientinnen haben das Recht auf Leben und Heilung. Niemand darf verloren gehen.
Weil die Welt aber nicht so ist, wie wir sie uns wünschen, ist Jesus Christus ans Kreuz gegangen, hat gelitten und ist gestorben. Für uns. Damit wir wieder Hoffnung schöpfen und das Leben finden. Und vor allem: Dass wir es ihm nachmachen, ihm nachfolgen und ebenfalls zu Tätern der Liebe werden.
In einer Welt, in der ich immer Menschen sehe und erlebe, die für andere ihr Leben riskieren, schwindet die Angst. Ich reihe mich ein und versuche mit meiner kleinen Kraft dort zu helfen, wo das Leben bedroht und verängstigt ist.
Ja, ich will leben. Doch nur in einer Welt, in der jede und jeder für die anderen da ist. Eine Welt, in der die Liebe größer ist als Hass und Eigennutz. Es gibt nur diese eine Welt. In ihr lebt Christus und wird lebendig – durch uns. Amen
Pfarrer Dr. Stefan Welz