99 Pfarrerinnen arbeiten im Bereich der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg. Was heute selbstverständlich scheint, musste hart erkämpft werden: 1966 beschloss die Synode das Pastorinnengesetz, mit dem Theologinnen ihren männlichen Kollegen gleichgestellt werden sollten. Das 50-jährige Jubiläum dieses entscheidenden Schrittes wurde am Samstag, 29. Oktober, mit einem Gottesdienst in der Dreifaltigkeitskirche in Oldenburg-Osternburg und einem anschließenden Empfang gefeiert.
Geballte „Frauenpower“ erlebten die Gottesdienstbesucherinnen und -besucher in der kleinen historischen Kirche: Mit den Pastorinnen i.R. Annette Nuber und Doris Semmler, den Pastorinnen Anne Jaborg, Susanne Duwe und Julia Klein und der Vikarin Sonja Froese-Brockmann gestalteten sechs Theologinnen aus drei Generationen den Gottesdienst. Sie verkörperten jene Entwicklung von den ersten ordinierten Frauen bis zur heutigen Selbstverständlichkeit der Frauen im theologischen Amt. Musikalisch unterstützt wurden sie vom Chor Womany Voices unter der Leitung von Marion Lantz und der Landeskirchenmusikdirektorin Beate Besser.
An die Anfänge der Frauen im Amt erinnerte Annette Nuber, eine der ersten Pastorinnen der oldenburgischen Kirche, in ihrer Predigt. Es sei eine mutige Synode gewesen, die 1966 beschlossen habe, die Frauen ihren männlichen Kollegen in Rechten und Pflichten gleichzustellen. Und die oldenburgische Kirche sei einigen anderen Kirchen darin einen wichtigen Schritt voraus gewesen. „In Bayern etwa brauchte man bis 1975, ehe man die Angst vor den Frauen überwand“, betonte sie, räumte aber gleichzeitig ein, dass auch die verfasste Kirche eben ein Kind ihrer Zeit sei „und ihr nicht immer voraus, wie wir es gern hätten.“
Noch vor 50 Jahren gab es Befürchtungen, der Pfarrberuf könne „verweiblichen“. Diese Angst sei inzwischen überwunden. „Man fürchtet uns nicht mehr, denn die Amtsbrüder und Gemeinden haben erkannt, dass wir nichts anderes wollen, als den Glanz Gottes in der Welt bekannt zu machen“, so Nuber. Dies sei keine spezifisch männliche oder weibliche Aufgabe.
„Zeugnis zu geben von der Hoffnung, die in uns ist, war vielleicht noch nie so wichtig wie heute, wo aus Hoffnungslosigkeit Wahlsiege eingefahren werden und aus Verzweiflung Terror wird.“ Man habe sich an Frauen im Amt gewöhnt, zog Nuber Bilanz. Doch noch immer gebe es Rückschläge, mit denen niemand rechne, erklärte sie und erinnerte an Lettland als aktuellstes Beispiel, wo die Ordination von Frauen gerade zurückgenommen worden ist. „Lasst uns wach bleiben und aufmerksam darauf achten, wo Strukturen wachsen, die ausschließen und benachteiligen“, mahnte sie.
Synodenpräsidentin Sabine Blütchen – passenderweise auch sie die erste Frau in diesem Amt in der oldenburgischen Kirche – erinnerte in ihrem Grußwort an den Gegenwind, den die Synode damals bekommen hatte. Insbesondere im eher konservativen Oldenburger Münsterland habe man die Entwicklung mit Sorge gesehen, ein Pfarrer habe gar vor der Spaltung der Kirche gewarnt. Dennoch sei das Gesetz schon in erster Lesung beschlossen worden. „Ich habe großen Respekt vor den Frauen und vor den Männern, die sich damals so beharrlich eingesetzt haben“, so Blütchen.
„Wir wissen: Es gibt noch viel zu tun, auch wenn wir heute hier feiern“, machte Eske Wollrad vom Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung an der Carl von Ossietzky Universität in ihrem Grußwort deutlich. Sie legte ihr Hauptaugenmerk auf Länder wie Polen, Lettland oder Russland, in denen Frauen bis heute nicht ordiniert werden dürfen.
Die Ordination sei „nicht vom Himmel gefallen, sondern die Frauen haben hart dafür gekämpft“, betonte die Lohner Pfarrerin Ute Young. 50 Jahre seien eine lange Zeit, aber eine kurze Spanne, wenn man bedenke, wie lange Männer schon am Ruder seien.
Schonungslos blickte Bischof Jan Janssen auf die Glaubensbrüder von damals: „Ich will für unsere Kirche bekennen, wie viel Ignoranz und Machtgehabe, wie viel Hohn und Spott gegen Pastorinnen Männer auch in unserer Kirche zu verantworten haben – das ist auch an einem Feiertag wie heute ebenso dringlich wie beschämend zu nennen.“ Die Frauenordination gehöre zu einer evangelischen Kirche im 21. Jahrhundert, wenn sie ihr Evangelischsein nicht infrage stellen wolle.
Janssen nutzte sein Grußwort, um einige der wegweisenden Frauen – sowohl in der Bibel als auch in seinem Lebenslauf – beim Namen zu nennen und erinnerte dabei unter anderem an seinen Religions-Leistungskurs am Wilhelmshavener Käthe-Kollwitz-Gymnasium, der von Annedore Hinne, einer der ersten ordinierten Theologinnen, geleitet wurde, oder an seine „intensive Lernzeit“ während des Gemeindepraktikums bei Uschi Plote, die Religionspädagogin und schließlich Pfarrerin in Bant war.
Diese Namen, so Janssen, „stehen für viele, die meine Generation schon geprägt haben.“ Eine dieser Frauen konnte er am Samstagabend persönlich begrüßen: Pfarrerinnen i.R. Dr. Christine Reents, die genau neun Tage vor seiner Geburt ordiniert worden ist. In einem von Pfarrerin Brigitte Gläser moderierten Gespräch erzählte Reents gemeinsam mit Pfarrerin i.R. Doris Semmler von den Anfängen der Pfarrerinnen in der oldenburgischen Kirche.
Ein Beitrag von Anke Brockmeyer.