Festlich gedeckte Tische im Lambertus-Saal der St. Lamberti-Kirche in Oldenburg vermittelten ein einladendes Bild und Wohlgefühl. An acht Tischen hatten 80 Frauen Platz genommen. Unter dem diesjährigen Thema: „Die Reformation und die Eine Welt – Vom Sichtbarwerden der bedingungslosen Liebe Gottes“ fand im Lambertus-Saal das dritte Oldenburger Frauenmahl statt, zu dem Dr. Andrea Schrimm-Heins, Frauenbildungsreferentin der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg, und Gabriele Rüsch-Tillmanns, Gleichstellungsbeauftragte der oldenburgischen Kirche, eingeladen hatten
Die zentrale reformatorische Erkenntnis sei die Rechtfertigungslehre, die betone, „dass Gottes Liebe bedingungslos allen Menschen gilt“, betonten die beiden Organisatorinnen in ihrer Begrüßung. Die Reformation bilde die Grundlage dafür, dass sich viele Frauen an der Neugestaltung von Lehre und Leben in Kirche und Staat beteiligten. Das dritte Oldenburger Frauenmahl solle zu der Sichtweise beitragen, dass letztlich jede Kirche immer wieder der Reform bedürftig sei und die Perspektiven der Frauen berücksichtigt werden müssten.
Das dritte Frauenmahl in Oldenburg war wieder eine gelungene Mischung aus leckeren Speisen, musikalischen Einlagen, dem intensiven Austausch an den einzelnen Tischen sowie dem Kennzeichen dieses Abends: den kurzen engagierten Tischreden der sieben Rednerinnen. Der Einladung waren sieben prominente Frauen aus Kirche, Wissenschaft, Journalismus und Gesellschaft gerne gefolgt.
Das Format der Tischrede lehnt sich an die Praxis im Hause Luther an. Luther gelang es in seinen Tischreden, Theologie und Alltag überzeugend zusammenzubringen. Das Frauenmahl wurde 2011 erstmals von Marburger Frauen gestaltet. In Oldenburg fand das erste Frauenmahl im Herbst 2012 statt. Inzwischen werden Frauenmahle in ganz Deutschland und den Nachbarländern veranstaltet und sind eine aktuelle Variante der Tischreden im Hause Luther und ein Beitrag zur Lutherdekade. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat eine Reformationsdekade bis 2017 ausgerufen, in Erinnerung an die reformatorischen Bewegungen im 16. Jahrhundert, die nicht nur von Männern unterstützt und vorangebracht wurden, sondern ebenso von vielen Frauen. Als Autorinnen, Theologinnen, Predigerinnen, Mäzenatinnen oder Regentinnen ihres Landes haben sie sich für die reformatorische Sache in vielfältiger Weise engagiert.
Sieben Tischreden:
Annette-Christine Lenk, theologische Oberkirchenrätin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg, ist Kirchenfrau mit Leib und Seele. Für sie muss die Kirche „strahlen wie ein Diamant in der Wüste. Das Evangelium, unser Glauben, das ist ein großer Schatz, den wir nach außen bringen müssen.“ Lenk stellte den Baum der Erkenntnis und die biblische Geschichte der Hagar in den Mittelpunkt, in der es um die Vertreibung der Ägypterin, Ausländerin und Sklavin gehe. „Es ist längstens Zeit, von Hagar als unserer Urmutter zu sprechen; unsere Urmutter ist eine Ausländerin.“
Annette-Christine Lenk sprach vom Reichtum der unterschiedlichen Kulturen, mit ihren unterschiedlichen Lebensentwürfen und den verschiedenen Glaubensauffassungen. Es sei nicht die Gleichheit, sondern die Unterschiedlichkeit, die bereichere. Raum zu gewähren und den Raum anderer zu schützen – das sei Respekt. Dazu gehöre es, „den Blick in die Augen des fremden Gegenübers zu wagen, sich fragen zu lassen und Fragen zu stellen, ohne beurteilt zu werden oder zu verurteilen.“ In diesem Sinne könne im Dekade-Jahr „Reformation und die Eine Welt“ von Globalisierung geredet werden und davon, dass es „immer nur die Eine Welt gibt.“
PD. Dr. Cordula Weißköppel, Institut für Ethnologie und Kulturwissenschaft der Universität Bremen, ist Expertin für die Zusammenhänge zwischen Migration und Religion in EU-Einwanderungsländern. Aktuell nimmt sie eine Vertretungsprofessur am Seminar für Ethnologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg wahr.
Weißköppel warf aus kultureller Sicht einen inspirierenden Blick auf die deutsche Gesellschaft und zeigte unterschiedliche Positionen auf. „Sich für die Welt und Mitmenschen und die ganze Welt zu engagieren, beschäftigt aktuell viele Menschen.“ Auf der anderen Seite würden die Stimmen lauter, dass das Maß der Zuwanderung überschritten sei. Menschen, die hier schlecht gestellt seien, hätten das Gefühl, zu kurz kommen. „Es geht um Verteilung.“
Die Rednerin nannte die Kategorie des „Weiß-seins“ und stellte die Frage, worin eigene Privilegien bestünden. Sie machte deutlich, dass sich die Menschen in erster Linie um ihre Nächsten in der unmittelbaren Umgebung kümmerten und in ihrer Gesellschaft nach Interessen zusammenschlössen. „Liebe deinen Nächsten“ beziehe sich jedoch nicht nur auf unser unmittelbares Umfeld, sondern zeige sich im Einsatz für die, die der Hilfe bedürfen. Diese von Nächstenliebe getragene Unterstützung und Zuwendung sollten auch die Zugewanderten erfahren, so Weißköppel.
Dr. Cornelia Johnsdorf, Beauftragte für den Kirchlichen Entwicklungsdienst der Evangelisch-lutherischen Landeskirchen in Braunschweig und Hannovers, arbeitet gezielt an der Förderung des entwicklungspolitischen Bewusstseins in Kirchengemeinden und kirchlichen Einrichtungen.
Ihr Blick über den Tellerrand führte die Zuhörenden nach Pakistan zu den Frauen, die dort in einer problematischen Situation seien. Pakistanische Frauen, die arbeiten wollten, brauchten sehr viel Mut. Selbst wenn Gesetze geändert würden, wirkten Gewohnheitsrechte viel stärker.
In ihrer Arbeit mit ausländischen Studentinnen erlebe sie, in wie vielen Ländern Frauen unter patriarchalen Strukturen litten. Das zu ändern, brauche Bewusstsein, betonte Johnsdorf. Auch Frauen in Deutschland hätten sich Gleichstellung erkämpfen müssen. Doch im Unterschied zu der südlichen Welt könnten Frauen hier öffentlich diskutieren und auftreten. „Ich möchte Sie ermuntern weiterzugeben, dass die individuelle Freiheit ein selbstverständliches Lebensgefühl ist.“ Jedoch würden Ausländerinnen, die in ihr Land zurückgingen, das sehr schwer leben können. Für Frauen seien Eigenständigkeit und finanzielle Unabhängigkeit wichtig, um selbstverantwortlich zu leben. „Das ist eine wichtige Aufgabe für unsere Töchter und Enkelinnen und braucht unsere Aufmerksamkeit in der nächsten Zeit.“
Nigar Yardim, Muslimische Theologin und Erziehungswissenschaftlerin aus Duisburg und Mitglied der Islamkonferenz, engagiert sich, damit Familien unterschiedlicher Nationen ihre gemeinsamen Probleme und Interessen erkennen, um gemeinsam zu einem friedlichen Miteinander beizutragen.
„Wie können wir uns von Glaubens- und Lebenserfahrungen anderer Menschen bereichern lassen?“, fragte Yardim. Sie habe erfahren, dass gelebte Religiosität echte Menschenliebe sei. Authentizität und Leben, das konsequentes Handeln beinhalte, sei ein Zeichen von gläubigen Menschen und dies habe sie bei vielen Christinnen und Christen erlebt. „Was können wir zur Globalisierung beitragen? Wir müssen einen kritischen Blick auf Globalisierung werfen und Ungerechtigkeit aufdecken. Wo Glaube sich im Handeln ausdrückt, gewinnt Glaube an Glaubwürdigkeit. Gemeinsam unsere Geschichten und Erfahrungen auszutauschen und zu schauen, was wir voneinander lernen können“, ist ihr Wunsch. „Ich habe viele Erfahrungen mit Christen gemacht und bin dankbar dafür.“
Sabine Schicke; stv. Leiterin der NWZ-Stadtredaktion Oldenburg, engagiert sich in der Bundeszentrale für politische Bildung und ist interessiert am kirchlichen Geschehen sowie an Frauenthemen. Sie nahm die Zuhörenden auf eine imaginäre Zeitreise mit ins Jahr 1999, als durch das „Bombardement im Kosovo der Krieg nach Europa zurückkehrte.“ Sie erinnerte sich an eine tiefgehende Begegnung mit einer fünfköpfigen Familie aus dem Kosovo, die mit dem Bus nach Blankenburg gebracht worden war. Die Stärke dieser Familie, besonders die der Mutter, hatte sie tief beeindruckt.
Heute beobachtet Schicke Frauen in Oldenburg, die sich stark einsetzten. „Meine Hoffnung ist es, dass mehr Menschen dem Beispiel folgen.“ Beispielhaft empfand sie die Arbeit der ehemaligen Integrationsbeauftragten der Stadt Oldenburg, Dr. Ayça Polat. Auch den Einsatz der Pastorin Anja Kramer und ihres Team der Martin-Luther-Kirche in Oldenburg für Menschen auf der Flucht hob sie hervor. Kirche könne eine Heimat für Geflüchtete sein. Was Kirche für mehr Gerechtigkeit tun könne, sei, gerechte Löhne zu zahlen und Heimat für Geflüchtete und alle Menschen zu sein.
Schicke zitierte Wolfgang Thierse, Bundestagspräsident a. D, der kürzlich in Oldenburg war: „Die Menschen, die zu uns kommen, sollen heimisch werden in unserem Land, und die Heimischen sollen nicht fremd werden im eigenen Land.“
Prof. Dr. Ursula Rudnick, Beauftragte für Kirche und Judentum der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, verfolgt in ihrer Arbeit das Ziel, die Vielfalt biblischer Stimmen in den Auslegungstraditionen von Judentum und Christentum zu Gehör zu bringen. „Ich verlobe dich mir auf ewig; ich verlobe dich mir um Gerechtigkeit und Recht, um Liebe und Erbarmen“, dieser Bibeltext werde täglich von Juden beim Morgengebet gesprochen „und es ist so, als würdest du jeden Tag Gott heiraten.“ Dieser Satz verheiße der ganzen Schöpfung einen Bund und bedeute, es werde Versöhnung unter den Menschen geben. Der Begriff der Gerechtigkeit spiele in der Ökumene eine wichtige Rolle, so Rudnick. Die Vorstellung der Bibel von Gerechtigkeit bedeute, dass auf der Welt der Wille Gottes zum Tragen komme.
Heute heiße das solidarisches Verhalten, Bildung für alle, Gleichheit und Vermeiden von Armut. Der biblische Maßstab von Gerechtigkeit sei sehr hoch und noch nicht erreicht. „Ich verlobe mich“ meine die Bereitschaft, sich jeden Morgen für Recht und Barmherzigkeit einzusetzen. „Lassen wir uns davon inspirieren.“
Edda Bosse, Präsidentin der Bremischen Evangelischen Kirche, ist es wichtig, aktiv in ihrer Domgemeinde mitzuarbeiten und Menschen für die Kirche zu gewinnen. Eine Geschichte, „quicklebendig verbunden mit Hoffnung“, brachte die letzte Rednerin an diesem Abend mit. Sie sei in Afrika, Ghana und Togo unterwegs gewesen, berichtete sie und schilderte bildreich eine Fahrt ins Nirgendwo zu einem kleinen dörflichen Projekt.
Dort zeigten die Bewohnerinnen und Bewohner stolz ihren angelegten Gemüsegarten mit einer Vielfalt an Sorten, von dem sie sich ernähren konnten. Ein Fluss lieferte die Bewässerung. Über den Eigenbedarf hinaus könnte das Gemüse in Nachbardörfern verkauft werden, doch fehlte ein Fahrzeug.
„Ich spürte, das ist mein Projekt, unsere gemeinsame Verantwortung dieser Welt“, beschrieb die Bosse ihre Gefühle. „Es geht um das Einstehen von Dankbarkeit in Augenhöhe.“ Sie sammelte das Geld für das Fahrzeug, das in Einzelteilen in das Dorf geschickt wurde; dort wollten die Männer es eigenständig zusammenbauen. „Dies ist eine kleine Geschichte aus der Einen Welt Gottes.“
Ein gelungener Abend mit vielen Facetten
Über die Tischreden, ihre Aussagen und ihre Vielfalt zeigten sich die Frauen an den Tischen begeistert und diskutierten lebhaft über die Inhalte. Die Musikerinnen Barbara Andrae und Hildegard Kluttig begeisterten zwischendurch mit einigen musikalischen Einlagen. Sie präsentierten Folkmusik aus Skandinavien und Klezmer-Musik aus Israel.
Für das sehr gelungene Sieben-Gänge-Menü, die Getränke und Weine sorgte die Ev. Krankhaus-Service-Gesellschaft mit gekonnter Unterstützung von acht Schülerinnen des Graf-Anton-Günter-Gymnasiums im Service.
In ganz Deutschland und in Nachbarländern wird zu Frauenmahlen eingeladen. Die Einladungen kommen von Gemeinden, Kirchenkreisen und EKD-Einrichtungen. Auch auf den Evangelischen Kirchentagen bis 2017 sollen Frauenmahle stattfinden. Als Veranstalterinnen schließen sich meist (Frauen-)Bildungseinrichtungen aus Kirche und Gesellschaft zusammen, aber es gibt auch viele ehrenamtliche Organisatorinnen.
Ein Beitrag von Bärbel Romey
Mehr Informationen über Frauenmahle und die Tischreden stehen im Internet zur Verfügung (in Kürze auch die kompletten Tischreden vom 3. Oldenburger Frauenmahl) unter: www.frauenmahl.de