Ein gutes Fünftel der Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen besucht den Unterricht im Fach «Werte und Normen». Lehrkräfte drängen darauf, dass dieser Unterricht in der Coronakrise nicht ausfallen dürfe - ebensowenig wie der Religionsunterricht.
Hannover (epd). Ethik-Lehrer aus Niedersachsen haben an die Schulen appelliert, die Fächer «Werte und Normen» und Religion auch während der Coronakrise weiter zu unterrichten. Das Fach «Werte und Normen» trage wie der Religionsunterricht dazu bei, den Schülerinnen und Schülern Orientierung in schwierigen Zeiten zu geben, sagte ein Sprecher des Fachverbandes «Werte und Normen» am Donnerstag in Hannover. Nach dem Aufkommen der Pandemie sei der Unterricht in den wertebildenden Fächern allerdings immer wieder ausgefallen.
Der Verband reagierte damit auf eine Absprache des Kultusministeriums mit den Kirchen zum Religionsunterricht aus dem Oktober. Danach kann künftig ein gemeinsamer konfessionsübergreifender Religionsunterricht für evangelische und katholische Schülerinnen und Schüler auch ohne ein in Einzelfällen sonst übliches Einvernehmen mit den Kirchen erteilt werden. Das Ministerium und die Kirche wollen so den Religionsunterricht in der sich zuspitzenden Coronakrise und unter erschwerten organisatorischen Bedingungen aufrechterhalten.
Der Fachverband «Werte und Normen» begrüßte diese Neuregelung. Allerdings gebe nicht nur der Religionsunterricht Halt und Orientierung. Auch im «Werte und Normen»-Unterricht gehe es um Fragen nach der Zukunft sowie den Umgang mit Krisen, Krankheit und Tod. Auch dieser Unterricht könne den Schülerinnen und Schülern helfen, mit der aktuellen Corona-Situation umzugehen. Die Zahl der Schüler, die an diesem Unterricht teilnehmen, wachse.
Der Humanistische Verband Niedersachsen drängte unterdessen in einem Offenen Brief an Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) auf einen höheren religionskundlichen Anteil im Fach «Werte und Normen». Der religionswissenschaftliche Anteil müsse mindestens bei 50 Prozent liegen, schreibt der Präsident des religionskritischen Verbandes, Guido Wiesner. In der Sekundarstufe hätten aber derzeit nur drei von 15 Leitthemen eine religionskundliche Ausrichtung. Das Fach werde von philosophischen und ethischen Fragen dominiert. So könne die Vielfalt des gesellschaftlichen Lebens aber nicht mehr hinreichend abgebildet werden.
Der Verband kritisierte auch, dass Lehrkräfte im Fach Philosophie automatisch eine Lehrbefähigung für «Werte und Normen» erhielten. Das sei untragbar, denn dafür seien sie gar nicht ausgebildet. Der Verband hatte sich für die Einführung des Faches «Werte und Normen» eingesetzt und ist berechtigt, bei der Gestaltung der Lehrpläne mitzuwirken.
Nach Angaben des Kultusministeriums nahmen im vergangenen Schuljahr 20,7 Prozent der Schülerinnen und Schüler der öffentlichen allgemeinbildenden Schulen in Niedersachsen an einem Unterricht in «Werte und Normen» oder Philosophie teil. Das sind etwa 170.000 Schüler. Einen christlichen Religionsunterricht besuchten etwa 75 Prozent der Kinder und Jugendlichen.