Die Impfpflicht im Kampf gegen die Corona-Pandemie ist gescheitert. Die Reaktionen aus Niedersachsen fallen deutlich aus. Regierungsparteien und Pflegeverbände hatten sich mehr erhofft.
Hannover (epd). Politik und Pflegeverbände bedauern das Scheitern der Corona-Impfpflicht für über 60-Jährige im Bundestag. «Das ist bitter», sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Donnerstag in Hannover. «Es muss doch unser gemeinsames Anliegen sein, dass möglichst viele Menschen in Deutschland im Herbst vollständig geimpft sind.» Leider sehe es derzeit nicht so aus, als sei dies mit einem rein freiwilligen Impfangebot möglich. Die Diakonie in Niedersachsen sprach von einer vertanen Chance.
Zuvor war der Antrag aus den Reihen der Ampel-Koalition, eine Impfpflicht für Menschen über 60 in Deutschland einzuführen, im Parlament in Berlin gescheitert. In namentlicher Abstimmung stimmten am Mittag 378 Abgeordnete gegen den Kompromiss-Antrag. 296 Abgeordnete votierten mit Ja, neun enthielten sich. Da in einer anschließenden Abstimmung auch der Unions-Antrag für ein Impfvorsorgegesetz keine Mehrheit fand, wird es absehbar keine Ausweitung der Corona-Impfpflicht in Deutschland geben.
Weil sagte, wenn es gelungen wäre, mit einer Impfpflicht zumindest ab 60 und mit Beratungsgesprächen eine Steigerung der Impfrate hinzubekommen, hätte sich die Zahl der schwer an Corona Erkrankten und daran Sterbenden deutlich reduzieren lassen. Im schlimmsten Fall drohten nun im Herbst und Winter erneut eine Überforderung des Gesundheitssystems und weitreichende Schutzmaßnahmen mit Einschränkungen für alle. Er hoffe sehr, dass im Bundestag noch rechtzeitig ein guter Kompromiss gefunden werde, «damit wir im Herbst nicht mit leeren Händen dastehen», sagte der Ministerpräsident.
Der Vorstandssprecher der Diakonie in Niedersachsen, Hans-Joachim Lenke, sagte seit dem 16. März greife die einrichtungsbezogene Impfpflicht. «Mitarbeitende in Krankenhäusern, ambulanten Pflegedienste und vergleichbaren Einrichtungen droht die Gefahr, mit Bußgeldern belegt zu werden oder ihren Beruf nicht mehr ausüben zu können, wenn sie der Impfpflicht nicht nachkommen.» Dass sich die Parteien im Bundestag nicht auf eine Regelung für eine allgemeine Impfpflicht einigen konnten, sei enttäuschend. «Wir halten diese Entscheidung für falsch. Nur mit einer allgemeinen Impfpflicht kann der Weg aus der Pandemie gelingen. Es wurde heute eine wichtige Chance vertan»
Auch Niedersachsens Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) zeigte sich enttäuscht über das Ergebnis der Abstimmung. «Eine allgemeine Impfpflicht wäre die wirkungsvollste Präventionsmaßnahme in der langfristen Bekämpfung der Covid-19-Pandemie gewesen», sagte sie. Die verpasste Impfpflicht sei «eine schwere Hypothek für den Herbst». Nur eine Impfung schütze vor schweren Krankheitsverläufen und allen weiteren Auswirkungen der Krankheit wie Long Covid.
In Niedersachsen seien rund 800.000 Erwachsene nicht geimpft, sagte Behrens. «Wir werden also weiterhin alle Anstrengungen unternehmen, um mit vereinten Kräften von Ärzteschaft, Apotheken und kommunalen Impfteams die Menschen vom Nutzen der Impfung zu überzeugen.»