Ab kommenden Jahr soll das Hartz-IV-System nach den Plänen der Ampelkoalition durch ein Bürgergeld abgelöst werden. Nun droht die CDU damit, das Vorhaben im Bundesrat zu blockieren. SPD, Grüne und FDP reagieren empört.
Hannover (epd). Über die für Anfang des Jahres geplante Einführung des Bürgergelds ist ein Streit entbrannt. Weil die CDU mit einer Blockade im Bundesrat droht, könnte sich das Vorhaben zur Ablösung des Hartz-IV-Systems verzögern. CDU-Generalsekretär Mario Czaja sagte dem «Tagesspiegel» (Sonntag), falls die Ampelkoalition nicht zu weitreichenden Zugeständnissen bereit sei, wolle die Union das zustimmungspflichtige Gesetz in seiner bisherigen Form im Bundesrat blockieren. SPD, Grüne und FDP reagierten mit scharfer Kritik an der Union.
Czaja sagte dem «Tagesspiegel», die CDU werde dem Bürgergeld so nicht zustimmen können. «Ich gehe davon aus, dass wir darüber im Vermittlungsausschuss werden sprechen müssen.» In diesem Fall könnte nach Einschätzung von Vertretern der Ampelkoalition den Jobcentern die Zeit zur Vorbereitung fehlen.
Vertreterinnen und Vertreter der Ampel-Koalition reagierten mit
Kritik: Die Parlamentsgeschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, sagte der «Rheinischen Post» (Montag), sie erwarte «konstruktive Gespräche aller Beteiligten, damit das Bürgergeld zum neuen Jahr starten kann». FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai nannte die Androhung einer Blockadehaltung «irritierend». «Verantwortliche Politik der größten Opposition sollte anders aussehen», sagte er der Zeitung.
Der stellvertretende Grünen-Fraktionsvositzende, Andreas Audretsch, bezeichnete es als einen Fehler, sich mit der Blockade-Drohung «gegen soziale Absicherung, gegen Qualifizierung und gegen neue Perspektiven zu stellen». Ältere Menschen, Alleinerziehende oder Kinder bräuchten angesichts der Inflation und hoher Energiepreise dringend bessere Unterstützung durch das Bürgergeld. Das sei «eine Frage des sozialen Friedens in Deutschland».
Das Bürgergeld soll vom 1. Januar 2023 an die Hartz-IV-Leistungen ablösen. Die Ampelparteien wollen höhere Regelsätze, weniger Sanktionen als bisher und deutlich höhere Schonvermögen - für eine Familie mit vier Kinder beispielsweise 150.000 Euro. In den ersten beiden Jahren des Bezugs sollen Wohnung und Erspartes so besser geschützt sein als im Hartz-IV-System. Für den 10. November ist die zweite und dritte Lesung des Gesetzes im Bundestag angesetzt. Danach wird es an den Bundesrat weitergegeben.
Der CDU-Politiker Czaja kritisierte vor allem die Pläne zum Schonvermögen. «Eine vierköpfige Familie soll mit einem Schonvermögen von 150.000 Euro trotzdem Anspruch auf das Bürgergeld haben, während eine andere junge Familie hart arbeitet und Steuern zahlt, um das Bürgergeld zu finanzieren», sagte er. Das sei zutiefst unsozial und verletze alle Grundsätze einer sozialen Marktwirtschaft. Zudem schaffe es falsche Anreize, die Heizkosten in vollem Umfang zu übernehmen.
Der Sozialverband Deutschland (SoVD) bezeichnete es hingegen als «unanständig», Geringverdienende und Leistungsbeziehende gegeneinander auszuspielen und mit einer Blockade zu drohen. Die neue Karenzzeit für Vermögen und Wohnen gebe den Menschen Sicherheit und die Chance, sich auf ihre Jobsuche konzentrieren zu können, sagte Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Sonntag).
Auch die evangelische Theologin Margot Käßmann sprach sich grundsätzlich für die Einführung des Bürgergeldes aus. Es sei gut, wenn bedürftige Menschen eine «minimale Grundversorgung von uns allen bekommen», schrieb die ehemalige hannoversche Landesbischöfin in ihrer Kolumne in der «Bild am Sonntag». Die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) kritisierte zudem Forderungen nach einer Obergrenze für die Übernahme von Heizkosten.
Kritik an der geplanten Einführung eines Bürgergeldes kam auch vom Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Gegenüber der «Bild am Sonntag» warnte er vor einer Spaltung der Gesellschaft. Es könne nicht sein, «dass ein Teil der Menschen, die morgens zur Arbeit gehen, nur wenig mehr Geld zur Verfügung haben als jemand, der morgens nicht zur Arbeit geht», sagte er.