Hannover (epd). Die Seelsorge-Expertin Anita Christians-Albrecht rechnet mit vielen Ratsuchenden an den Weihnachtstagen. «Ich beobachte in der Gesellschaft insgesamt eine sehr starke Verunsicherung», sagte die evangelische Pastorin am Zentrum für Seelsorge und Beratung der hannoverschen Landeskirche dem Evangelischen Pressedienst (epd). Aus diesem Grund habe sie gemeinsam mit dem NDR in diesem Jahr vom 22. Dezember bis zum 2. Januar unter der Rufnummer 0800/111-2017 eine ökumenische Seelsorge-Hotline auf die Beine gestellt.
Der Zeitraum sei bewusst so lang gewählt, betonte Christians-Albrecht. «Wir haben festgestellt, dass nicht nur an den Feiertagen sondern insbesondere auch dazwischen der Bedarf sehr hoch ist. Dann sind plötzlich die Angehörigen weg, der Besuch ist abgereist und schon fängt das Grübeln an.» Nicht zuletzt drehten sich viele Gespräche um Einsamkeit oder auch um Streitigkeiten in der Familie. «Im Grunde sind es die klassischen Seelsorge-Themen - aber meist verstärkt durch Weihnachten.»
Viele Anrufer hätten auch mit Trauer oder Depressionen zu kämpfen, sagte die Expertin. «Pandemiebedingte Schuldgefühle sind auch ein großes Thema geworden. Da berichten dann Menschen, dass vielleicht ein Angehöriger oder enger Freund verstorben ist, sie ihn aber nicht richtig begleiten konnten wegen Corona.» Ohnehin berührten viele Menschen die Corona-Pandemie und damit zusammenhängende Fragen nach der Spaltung der Gesellschaft, nach Impfstoffen oder «einfach, ob wir das alles jemals in den Griff kriegen».
Je nach Problemlage würden die Seelsorger die Anrufer auch an spezielle Hilfsangebote verweisen. «Das Wichtigste für uns ist aber immer erst einmal das Zuhören und das Dasein», betonte Christians-Albrecht. «Wir vertrauen oft auch darauf, dass die Lösung für ein Problem schon in den Menschen drin ist», erläuterte die Pastorin. So helfe es in vielen Gesprächen den Anrufern schon, gemeinsam die Gedanken zu ordnen, eventuell die Perspektive zu wechseln und so zum Kern des Problems vorzustoßen.
Insgesamt 47 Pastorinnen und Pastoren, Diakone, Priester, Gemeindereferenten und auch Psychotherapeuten übernehmen für jeweils zwei Stunden Dienst am Seelsorge-Telefon. «Die tun das alle über ihren zu den Feiertagen schon stressigen Dienst hinaus», betonte Christians-Albrecht. Je nach Aufkommen würden die Schichten auch mehrfach besetzt, um möglichst vielen Menschen Ansprechpartner bieten zu können. Niemand müsse sich scheuen, zum Hörer zu greifen. Jeden Anrufer werde ernstgenommen - egal, ob jung oder alt. «Und manchmal rufen uns auch Menschen an, denen es nicht schlecht geht. Die wollen dann einfach nur Danke sagen - das freut uns natürlich.»