Zum Hauptinhalt springen

Oldenburg (epd). Vor dem Landgericht Oldenburg hat am Donnerstag der Prozess gegen einen Mann begonnen, der sich als «Commander» eines nicht mehr bestehenden militärischen Hauptquartiers ausgegeben und auf seinem Telegram-Kanal zur Tötung zahlreicher Menschen aufgerufen haben soll. Zum Prozessauftakt habe die Vertreterin der Staatsanwaltschaft die Anklageschrift verlesen, sagte Gerichtssprecher Frederik Franz dem Evangelischen Pressedienst.

 

 

 

Die Ermittler legen dem 55-Jährigen aus Bad Zwischenahn insgesamt 33 Straftaten zur Last. Der Angeklagte sitzt seit dem vergangenen Dezember in der Justizvollzugsanstalt Rosdorf bei Göttingen in Untersuchungshaft. Die Ermittlungen wurden von der Staatsanwaltschaft Göttingen geführt, bei der die Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet angesiedelt ist.

 

 

 

Konkret soll der Beschuldigte sich als «Befehlshaber des Supreme Headquarter Allied Expeditionary Force» (SHAEF) bezeichnet haben, also des Hauptquartiers der Alliierten Streitkräfte in Nordwest- und Mitteleuropa während des Zweiten Weltkrieges. Dieses Hauptquartier wurde im Juli 1945 aufgelöst. Der Angeklagte vertritt den Ermittlern zufolge jedoch die Auffassung, dass das SHAEF bis heute fortbesteht - und dass allein dessen Gesetze und Anordnungen in der Bundesrepublik Gültigkeit haben.

 

 

 

In einer Variante der Reichsbürgerideologie soll der 55-Jährige behauptet haben, durch die US-amerikanischen Streitkräfte zur Ausübung von Hoheitsrechten auf dem deutschen Staatsgebiet ermächtigt worden zu sein. Über diverse Telegram-Kanäle mit rund 25.000 Followern habe er die Erzählung verbreitet, dass in Deutschland gerade Krieg herrsche, in dem unter seinem Kommando stehende Soldaten und Polizisten im Kampf für das deutsche Volk fallen würden.

 

 

 

Nach Erkenntnissen der Göttinger Staatsanwaltschaft hat der Angeklagte seit dem Frühjahr 2020 gegen etliche Menschen, unter ihnen auch Personen des öffentlichen Lebens, im Netz «Todesurteile im Namen des SHAEF» verhängt und zu ihrer Ermordung aufgerufen. In der Folge seien die betroffenen Privatpersonen und Amtsträger vielfach von Dritten bedroht worden.

 

 

 

Solche «Urteile» beziehungsweise Mordaufrufe soll es beispielsweise gegen eine Schulrektorin und einen Polizeimeister in Süddeutschland, gegen ein Mitglied des Krefelder Stadtrates, aber auch gegen den als Corona-Leugner bekannten Arzt Bodo Schiffmann und seine Freunde gegeben haben: «All Schiffmann s and Friends Death by firing Squad!» («Tod durch Erschießungskommando»). In einem Fall habe der Beschuldigte ausdrücklich einen der Abonnenten seiner Kanäle aufgefordert, den Bürgermeister der Stadt Bad Doberan öffentlich an einer Laterne aufzuhängen.

 

 

 

Wie die in Oldenburg erscheinende «Nordwest-Zeitung» am Donnerstagmittag online berichtete, hat der Angeklagte die entsprechenden Taten am ersten Prozesstag grundsätzlich eingeräumt. Er habe allerdings betont, es habe sich um einen «militärischen Account» gehandelt, er sei Soldat und Major und in diesem Kontext müssten die Todesurteile gesehen werden.