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Loccum/Halle (epd). Um Missbrauch in der Kirche zu verhindern, hat die Medizin-Professorin Eva Kantelhardt mehr Präventionsarbeit angemahnt. «Innerhalb der Kirche gibt es nicht nur den sexuellen Missbrauch, sondern auch den psychischen oder spirituellen Missbrauch», sagte sie als Referentin im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Rande einer Tagung der Evangelischen Akademie Loccum zu sexualisierter Gewalt, spirituellem Missbrauch und geistlichen Gemeinschaften.

 

 

 

Wenn sich Menschen einem Seelsorger oder einer Seelsorgerin anvertrauten, sei dies vergleichbar mit dem Verhältnis eines Psychologen oder einer Psychiaterin zu ihren Patienten. «Es besteht ein Machtgefälle», sagte die Professorin für Gynäkologie und globale Gesundheit der Universität Halle. Die professionelle Seite habe eine Deutungshoheit und genieße ein hohes Maß an Vertrauen. Die Betroffenen auf der anderen Seite entblößten in den Gesprächen förmlich ihre Seele und offenbarten ihr Innerstes: «In solchen Settings ist es leicht, seelische Abhängigkeiten zum eigenen Vorteil zu schaffen.»

 

 

 

Die Betroffenen merkten nicht mehr, dass sie nicht mehr versuchten, dem Willen Gottes zu entsprechen - sondern dem des Täters. Am Ende könne auch der sexuelle Missbrauch stehen. Selbst wenn es dazu nicht komme, sei der psychische Missbrauch nicht minder schlimm.

 

 

 

«Problematisch ist, dass solche Täter oft sehr beliebt und charismatisch sind», sagte Kantelhardt. Positiv gewendet bedeute dies, dass sie Menschen für den Glauben oder eine Sache begeistern können. Negativ gewendet, könnten sich Täter in einem solchen Umfeld die für ihre Interessen geeigneten Strukturen schaffen.

 

 

 

Kantelhardt betonte, es gehe um Strukturen, die begünstigten, dass Menschen Missbrauch begehen. «Mehr als 99 Prozent der Seelsorgerinnen und Seelsorger verfolgen sicher gute Absichten.» Um den Missbrauch zu erschweren, müssten Gegenstrukturen geschaffen werden, unterstrich die Professorin: Dazu zählten verpflichtende Präventionsfortbildungen, unabhängige Ansprechpersonen für Gemeinschaften und Gemeinden sowie die Vermeidung von Machtanhäufungen bei einer Person.

 

 

 

«Besonders wichtig aber ist ein Klima des Hinguckens. Wenn etwas merkwürdig auffällt, sollte es laut angesprochen werden», betonte sie. «Es muss darüber geredet werden.» Sie rechne damit, dass Initiativen zur Aufarbeitung, wie sie unter anderem von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) beauftragt wurden, noch mehr Erkenntnisse zu geistlichem Missbrauch, zu Täterprofilen, Prävention und Unterstützung von Betroffenen ergeben werden. Gleiches gelte auch für die Tagung in Loccum, die am Sonntag zu Ende ging.