Landau/Oldenburg (epd). Die Oldenburger Kirchenhistorikern Andrea Strübind hat dafür plädiert, den Begriff «radikal» im Zusammenhang mit der Geschichte des Protestantismus und allgemein mit Religion nicht mehr zu verwenden. Dieser sei in erster Linie ein Kampfbegriff, sagte die baptistische Theologin am Freitag bei einer digitalen Tagung zum Thema «Radikale Religion? Täufer, Dissidenten, Extremisten» in Landau. Die zwiespältige Bezeichnung «radikal» diffamiere kleinere protestantische Strömungen wie das Täufertum als Ketzer. Demnach stellten diese als Extremisten die Ordnung in Kirche und Staat infrage.
Andererseits stilisierten sich protestantische Minderheiten in der 500-jährigen Geschichte des Protestantismus immer wieder selbst stolz als «Radikale», sagte Strübind. Nach eigener Überzeugung verträten diese eine «reine» christliche Lehre. Dadurch hätten sich kleinere protestantische Konfessionen gerade in der Frühzeit der Reformation abgegrenzt gegenüber dem Luthertum.
Strübind warb dafür, nach einer neuen wissenschaftlichen Begrifflichkeit für das Phänomen der spirituellen Vielfalt im Protestantismus zu suchen. Der Ansatz eines «religiösen Nonkonformismus» könnte deutlich machen, dass dieser durch ein spannungsreiches Miteinander aller Strömungen, nicht aber durch gegenseitiges Ausgrenzen geprägt sei, sagte sie.
Die Feierlichkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland zu 500 Jahre Reformation im Jahr 2017 hätten überdies das Bild der «radikalen Reformatoren» weitertransportiert, kritisierte die Expertin für Reformationsgeschichte. Sie hätten einmal mehr ein verzerrtes Bild von «Hauptströmen und Abweichlern» gezeichnet.
Veranstaltet wurde die Tagung gemeinsam von der Evangelischen Akademie der Pfalz, dem Verein für Pfälzische Kirchengeschichte, dem Mennonitischen Geschichtsverein und dem Institut für Evangelische Theologie an der Universität Koblenz-Landau.