Nürnberg (epd). Die Influencerin, Videobloggerin und Pfarrerin Ellen Radtke sieht in der evangelischen Kirche noch immer große Vorbehalte gegenüber queeren Menschen. Die Zeit sei längst noch nicht so weit, dass sie an die Türen der Pfarrämter klopfen könnten, sagte Radtke am Sonnabend beim Kirchentag in Nürnberg. Menschen hätten dort «krasse» Erfahrungen gemacht. «Der Satz 'Alle sind willkommen' ist eine der größten Lügen der evangelischen Kirche», sagte Radtke, die gemeinsam mit ihrer Ehefrau, der Pastorin Steffi Radtke, den reichweitenstarken YouTube-Kanal «Anders Amen» betreibt. Die Radtkes wurden als lesbisches Pastorinnen-Paar auf dem Dorf Eime bei Hildesheim bundesweit bekannt.
Auch die evangelische Hochschulpfarrerin Kerstin Söderblom forderte mehr Offenheit im Umgang mit queeren Menschen. «Queersensible Seelsorge» müsse gestärkt und sichtbarer gemacht werden. Bis heute würden immer noch queere Menschen in Gemeinden Hilfe suchen, die mit Verletzungen und Mobbing Erfahrungen gemacht hätten, sagte die Mainzer Pfarrerin bei einem Podium im «Zentrum Geschlechterwelten und Regenbogen». «Es muss deutlich werden, dass sie bei uns sichere Orte bekommen», sagte Söderblom.
Pfarrerin Mareike Gintzel aus Witten, LGBTQ+-Beauftragte ihres Dekanats, appellierte an die Zuhörerinnen und Zuhörer, in den Gemeinden auf alltägliche Diskriminierungen etwa bei Formularen oder Teilnehmerlisten zu achten. Gintzel kritisierte, dass es in verschiedenen Landeskirchen Pfarrerinnen und Pfarrer ablehnen dürfen, homosexuelle Paare zu trauen, wenn sie eine solche kirchliche Handlung nicht mit ihrem Bibelverständnis vereinbaren könnten. Solche Gewissensvorbehalte gehörten auf den Prüfstand, forderte Ellen Radtke: «Das fügt anderen Menschen Verletzungen zu und führt diese Menschen weit weg von Gott.»