Papenburg/Kr. Emsland (epd). «O schaurig ist's übers Moor zu gehn...»: Das Gedicht «Der Knabe im Moor» von Annette von Droste-Hülshoff erinnert an Zeiten, als Moore noch furchteinflößende Landschaften waren. Wo die Dichterin vor mehr als 200 Jahren aufwuchs, lässt heute nur noch eine Feuchtwiese im Naturschutzgebiet Ameshorst erahnen, dass die Gegend westlich von Münster ähnlich vernebelt und unwirtlich war wie das englische Dartmoor, wo Sherlock Holmes den Hund von Baskerville zur Strecke brachte.
Moore galten über viele Jahrhunderte vor allem als lebensfeindlich. Hier lockten Irrlichter Menschen in die unwegsame Wildnis, in der sie versanken und starben. Um Moorleichen wie den dänischen Tollundmann (405 bis 380 v. Chr.) ranken sich Vermutungen über archaische Kulte und grausame Hinrichtungen. Das Lied «Die Moorsoldaten», 1933 von KZ-Häftlingen verfasst, erinnert an die mörderische Ideologie der Nationalsozialisten und ihre Konzentrationslager in den Mooren des Emslands, wo Inhaftierte und Zwangsarbeiter unter menschenunwürdigen Bedingungen Torf stechen mussten.
Um Heizmaterial zu gewinnen, stachen Bauern bereits im Mittelalter Torf: Denn Torf ist totes zusammengepresstes Pflanzenmaterial, das über die Fotosynthese Sonnenenergie gespeichert hat. Als sich vor etwa 12.000 Jahren die Gletscher der jüngsten Eiszeit zurückzogen und landschaftliche Senken sich mit Schmelzwasser füllten, konnten absterbende Pflanzen ohne Sauerstoff nicht mehr verrotten. Sie wurden zu Torf und wuchsen Schicht um Schicht.
Moore, die so hoch gewachsen sind, dass sie den Kontakt zum Grundwasser verloren haben und sich von Regenwasser speisen, werden «Hochmoore» genannt. Man findet sie vor allem im deutschen Nordwesten. Deshalb gilt Niedersachsen nach einer Formulierung von Agrarministerin Miriam Staudte (Grüne) als Deutschlands «Moorland Nummer eins». Grundwasser- oder «Niedermoore» gibt es eher im Nordosten. Hochmoore gelten als sauer und artenarm, Niedermoore, gespeist vom nährstoffreichen Grundwasser, haben einen höheren ph-Wert (3,5 bis 7) und beherbergen seltene Tiere und Pflanzen.
Als im 18. Jahrhundert die Wälder in vielen Teilen Deutschlands weitgehend abgeholzt waren, wurde der brennbare Torf noch wichtiger. Zur gleichen Zeit, 1765, erließ König Friedrich II. von Preußen sein «Urbarmachungsedikt», das die Moore zum Eigentum seines Staates erklärte und jedem Land versprach, der sich im Moor niederließ und dort binnen eines Jahres ein Haus baute. Dafür musste beispielsweise im Oderbruch das Moor über Kanäle entwässert und der Fluss begradigt werden.
Heute weiß man: Wenn Moore trockengelegt werden, entweicht Kohlenstoff. Intakte Moore speichern Kohlenstoff. Deshalb sind sie solevant für den Klimaschutz: Sie speichern mehr Kohlenstoff als alle Wälder des Planeten zusammen. Franziska Tanneberger, Leiterin des Moorzentrums Greifswald, rechnet in ihrem Buch über «Das Moor» vor: «Etwa ein Drittel des Kohlenstoffs, der weltweit in den Böden steckt, ist im Moor - obwohl Moore nur vier Prozent der Landfläche bedecken.»
Das weltweit größte Moor ist das westsibirische Wasjugan-Moor zwischen den Flüssen Irtysch und Ob. In Deutschland nehmen Moore, darunter trockengelegte mit nur noch einer Torfschicht, 1,8 Millionen Hektar ein - eine Fläche vergleichbar mit dem Bundesland Sachsen. Nur zwei Prozent (30.000 Hektar) davon, sagt Tanneberger, seien noch in ihrem naturnahen Zustand, vier Prozent (70.000 Hektar) wiedervernässt.
«Bis zu 40 Millionen Tonnen CO2 lassen sich jährlich einsparen, wenn wir es schaffen, alle unsere Moore wiederzuvernässen», erläutert die Moor-Ökologin. Und die Landwirte, die die entwässerten Flächen nutzen? «Nur sieben Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche sind entwässerte Moore. Auf ihnen könnten fast 40 Prozent der Gesamtemissionen aus der Landwirtschaft eingespart werden.»
Auch auf nassen Böden lässt sich Landwirtschaft betreiben. Diese sogenannte Paludi-Kultur, nach dem lateinischen Wort «palus» für Sumpf, versteht sich als «torferhaltende Landwirtschaft auf nassem Boden». Hier lässt sich zwar kein Weizen ernten, wohl aber Reet für Dächer sowie Heidel- und Preiselbeeren. In der Tierhaltung werden Wasserbüffel immer beliebter.
Aus Hessen kommt derweil eine Erfolgsmeldung: Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) ist ausgezeichnet worden für sein Niedermoor-Projekt als offizielles Projekt der UN-Dekade (2021 bis 2030) zur Wiederherstellung von Ökosystemen. «Dank der großartigen Zusammenarbeit von Behörden, Ehrenamtlichen und Privatpersonen konnten wir 74 der 168 Niedermoorstandorte Hessens langfristig unter Schutz stellen», meldet Projektleiterin Anne Michaeli von der Nabu-Stiftung Hessisches Naturerbe. Damit sei das Ziel bereits überschritten.