„Frieden lässt sich nicht sichern; er lässt sich nur wagen.“ Mit diesen Worten von Bischof Kurt Scharf aus dem Jahr 1983 eröffnete Kreispfarrer Christian Scheuer einen besonderen Abend in der Christus- und Garnisonskirche in Wilhelmshaven. „Zivile Konfliktbearbeitung in Bürgerkriegsländern“ – für viele Menschen angesichts der militärorientierten Berichterstattung ein schier unglaubliches Vorhaben. „Während die Welt auf Syrien oder Afghanistan schaut, toben seit Jahrzehnten andere Konflikte, von denen wir nur am Rande oder gar nichts erfahren, so zum Beispiel ein über 50 Jahres dauernder Bürgerkrieg in Kolumbien, der jetzt mit einem Friedensabkommen beendet wurde – Dank vornehmlich ziviler Konfliktbearbeitung.“
Über die Bedingungen eines solchen Prozesses der zivilen Konfliktbearbeitung berichtete Dr. Sabine Kurtenbach, Politikwissenschaftlerin und seit 25 Jahren Senior Research Fellow am GIGA (German Institute of Global and Area Studies). Sie beschäftigt sich in ihrem Arbeitsschwerpunkt Friedens- und Konfliktforschung besonders mit Entwicklungen in der mittel- und südamerikanischen Staaten.
„Auf dem Weg vom Krieg zum Frieden ist zivile Konfliktbearbeitung ein zentrales Element. Zu fragen ist allerdings, wann zivile Konfliktbearbeitung möglich ist, wer beteiligt ist und wie sie ansetzt.“ Prävention sei natürlich „die beste Form“ ziviler Konfliktbearbeitung. Konflikte sollten dabei nicht verhindert werden – sie gehörten schließlich zum Zusammenleben von Menschen dazu, sondern „ihre gewaltsame Austragung und Eskalation.“ Wenn rechtzeitig zivile Konfliktbearbeitungsinstrumentarien installiert würden, würde das nur einen Bruchteil dessen kosten, was bei einer späteren Bearbeitung von Konflikten nötig sei.
Aber auch – so Dr. Kurtenbach – „mitten im Gewaltkonflikt ist zivile Konfliktbearbeitung möglich.“ Das gelte besonders auf lokaler Ebene. Sie berichtete von einer kolumbischen Gemeinde, deren Bewohner sich entschieden hätten, weder mit den staatlichen Sicherheitskräften noch mit den nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen zu kooperieren. Aber schließlich schlage „nach Kriegsende die Stunde ziviler Konfliktbearbeitung. Ihr Erfolg ist ein wesentlicher Indikator dafür, ob Frieden möglich ist oder nur ein kurzes Intermezzo bliebt.“
Bei der zivilen Bearbeitung von Konflikten seien alle gefragt, staatliche Stellen und Institutionen ebenso wie Akteure und Organisationen aus der Zivilgesellschaft. Hilfreich sei, wenn „ein demokratisches Regierungssystem eine zentrale Rolle“ spielen könne. Oft sei es so, dass gerade die zivilgesellschaftlichen Akteure den Prozess nachhaltig vorantreiben, während staatliche Stellen noch auf militärische Sieglösungen setzten. „Trotz zahlreicher Probleme haben diese Initiativen zweifelsohne dazu beigetragen, in Kolumbien das Thema Frieden auf der politischen Tagesordnung zu halten, obwohl die Regierung zwischen 2002 und 2010 auf einen militärischen Sieg gegen die Guerilla setzte.“
Zivile Konfliktbearbeitung habe immer zum Ziel, auf der einen Seite die Lebensbedingungen aller Menschen einer Region zu verbessern und Grundbedürfnisse wie Arbeit, Wohnung, ausreichend Nahrung und persönliche Sicherheit zu gewährleisten, auf der anderen Seite aber auch, zivile Konfliktbearbeitungsinstrumente zu stärken oder neu zu schaffen. Dr. Kurtenbach berichtete, dass lokale Initiativen in Kolumbien drei thematische Linien verfolgten: „die Förderung erstens einer Friedenskultur und grundlegender Menschenrechte, zweitens einer guten Regierungsarbeit und der Stärkung von Institutionen, sowie drittens der sozio-ökonomischen Entwicklung (produktive Projekte, soziale und wirtschaftliche Infrastruktur)“. Ziel sei es, auf lokaler Ebene so genannte „change agents“ zu stärken, um die Dynamik von Gewalt zu reduzieren.
In Kolumbien sei es gelungen, ein Friedensabkommen zwischen Regierung und Guerilla zu vereinbaren. Das sei ein erster wichtiger Schritt. Nun sei die zivile Konfliktbearbeitung besonders gefordert, damit gesellschaftlicher Frieden möglich werde und nicht nur ein kurzes Intermezzo bleibe. Dr. Sabine Kurtenbach „Kriegsbeendigung alleine reicht nicht aus, sondern alle Formen der Gewalt müssen reduziert werden, um Konflikte zu transformieren und ohne Gewalt zu bearbeiten. Frieden ist kein Zustand, sondern ein langer und andauernder Prozess. Auch in Europa wird uns das in letzter Zeit wieder bewusst.“
Pastor Frank Morgenstern verabschiedete die Zuhörerinnen und Zuhörer mit einem Segen, der das Thema des Abends noch einmal aufgriff: „Gott segne Dich mit der Beweglichkeit des Himmels, Gott schenke Dir die Standfestigkeit der Erde, er fülle deinen Mund und dein Herz immer wieder mit Lachen und verwandle deine Tränen durch die Kraft der Vergebung in den Tau eines neuen Morgens.“