In ein paar Tagen werden sie flügge sein. Das ist der Moment, auf den der Oldenburger Arzt Johannes Bartner und Küster Andreas Scheinert schon gespannt warten. Noch aber kuscheln sich die fünf kleinen Turmfalken in ihrem Nistkasten hoch oben im Glockenturm der Thomaskirche in Ofenerdiek eng aneinander, während der Wind, der hier oben recht kräftig bläst, ihr Gefieder zerzaust. Der helle Flaum weicht langsam den ersten grauen Federn, Fotos dokumentieren, wie schnell die Kleinen gewachsen sind.
Es ist immer wieder ein großartiges Erfolgserlebnis, das mir richtig gute Laune macht, wenn ein Nistkasten von einem Falkenpaar angenommen wird, begeistert sich Dr. Johannes Bartner. Der Gastroenterologe ist quasi der Herbergsvater der kleinen Greifvögel. Rund hundert Nistkästen betreut er in der Region, 32 davon in den Glockentürmen evangelischer Kirchen. Höhenangst kennt der Hobbyornithologe nicht. Er steigt auf Faultürme von Kläranlagen, nutzt den fast 300 Meter hohen Funkturm des NDR in Steinkimmen, erklimmt die Stufen von Kirchtürmen. Überall dort stehen seine Nistkästen, die er in einer Behindertenwerkstatt in Soltau-Fallingbostel bauen lässt.
Mit seiner Bitte, einen Nistkasten anbringen zu dürfen, rennt Bartner mittlerweile fast überall offene Türen ein. Das war nicht immer so. Die Sensibilität für Artenschutzprojekte wie dieses ist größer geworden, so seine Erfahrung. Und auch unsere Referenzen helfen uns, Akzeptanz zu finden: Es gibt keine Schäden an den Gebäuden, die Kirchtürme werden durch die Nistkästen nicht verschandelt, der Schmutz hält sich absolut in Grenzen.
Vor sechs Jahren hat der Oldenburger Arzt das Turmfalkenprojekt des Naturschutzbundes Deutschland e.V. (Nabu) gemeinsam mit seiner Nabu-Vereinskollegin Melanie Witte ins Leben gerufen, mit Erfolg: Die Population beginnt wieder zu wachsen. Wir machen zwar keine offiziellen Zählungen, aber dass immer mehr Nistkästen von den Turmfalken angenommen werden, ist ein sicheres Zeichen. Altbausanierungen und Neubauten ohne Mauernischen und geschützte Ecken, in denen die Turmfalken ihr Nest bauen könnten, hatten den Zahl der Vögel von den 1960er bis Ende der 1980er Jahre extrem minimiert.
Mittlerweile hat sich der Bestand wieder erholt auch und besonders dank Initiativen wie der von Dr. Bartner. In dem Küster der Thomaskirche, Andreas Scheinert, hat er einen engagierten Mitstreiter gefunden, der für diese Idee brennt. Fast täglich ist Scheinert oben im Kirchturm, um die Entwicklung der Falkenjungen zu beobachten, seine Tochter hat sogar eine eigene facebook-Seite für den Raubvogel-Nachwuchs eingerichtet, die schon mehr als 2.000 Besucherinnen und Besucher sowie und weit über hundert Likes verzeichnet.
Scheinert war es auch, der dafür sorgte, dass es in der Thomaskirche in Oldenburg-Ofenerdiek überhaupt wieder Falken-Nachwuchs gibt. Schon als Schüler hatte Johannes Bartner Nistkästen gebaut und in der Region aufgestellt. Dann ging er zum Studium nach Hannover, arbeitete dort einige Jahre und hatte keine Zeit mehr für sein Oldenburger Projekt. Als Andreas Scheinert 2001 die Küsterstelle in der Ofenerdieker Kirchengemeinde übernahm, stieß er auf den alten Nistkasten im Turm. Auf dem Holz stand eine Telefonnummer, die noch zu erkennen war. Ich habe dort angerufen, und so kam das Turmfalken-Projekt auch wieder an unsere Kirche.
Den Nistkasten hatte Johannes Bartner vor 30 Jahren dort angebracht, die Telefonnummer gehörte zum Anschluss seines Elternhauses. Seine Mutter erzählte Johannes Bartner von dem Anruf, und der Falken-Fan nutzte die Gelegenheit sofort, um im Turm der Thomaskirche einen neuen Nistkasten zu installieren.
Auf engagierte Projektbegleiter wie Scheinert bauen zu können, ist für die Kontinuität von Johannes Bartners ehrenamtlicher Arbeit unverzichtbar. Die Nistkästen müssen überprüft, gereinigt und repariert werden. Das kann ich bei hundert Nistkästen in dieser weitläufigen Region nicht alles allein leisten. Auf Andreas Scheinert wird er auch in den nächsten Jahren bauen können, soviel ist klar.
Mehr Informationen zu den Nabu-Falkenprojekten in Kirchtürmen finden Sie unter: www.nabu.de/aktionenundprojekte/lebensraumkirchturm
Ein Beitrag von Anke Brockmeyer.