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Es ist Hochsaison. Touristenzeit. Viele Urlauberinnen und Urlauber aus Nordrhein-Westfalen sind mittlerweile im Wangerland eingetroffen. Am Strand ist das deutlich zu spüren. Vor allem natürlich, wenn das Wetter mitspielt und das tut es in diesem Sommer oft.

Was führt die Menschen ins Wangerland? Hier soll man zur Ruhe kommen? Den Urlaub genießen, um zwischen all der Hektik des Alltags sich selber nicht zu verlieren? Sich selber vielleicht ganz neu finden? Und vielleicht auch einen neuen Weg zu Gott finden? Genau das. Im Wangerland ist man da genau richtig, wenngleich auch nicht unbedingt direkt am Strand.

Doch nur ein wenig entfernt gibt es den Wangerländischen Pilgerweg zu entdecken. Hier gibt es noch ein Stückchen halbwegs unberührte Natur, Wiesen, Felder und Deiche. Und wunderschöne Gotteshäuser, alte Kirchen, die eine lange Geschichte erzählen und ganz neue Gebäude, die von modernen religiösen Impulsen sprechen. In diesen Kirchen und auf dem Weg von einer zur anderen, in einer Natur, in der man sich eigenartig geborgen fühlt, lässt es sich gut zur Ruhe kommen. Gedanken kommen und gehen, lange Verdrängtes meldet sich wieder, fordert Antworten und die Frage, was im Leben eigentlich wirklich zählt. Genießen einerseits und die eigene Richtung neu bestimmen, das ist auf dem Wangerländischen Pilgerweg quasi eins.

Zu diesem Pilgerweg gehören zwölf alte Kirchen, zumeist im 13. oder 14. Jahrhundert als katholische Gotteshäuser erbaut, bis sie nach der Reformation zu evangelischen Kirchen wurden. Hier sind aber durchaus noch viele katholische Elemente enthalten. Weiterhin liegen zwei neue katholische Kirchen auf dem Pilgerweg. Im kommenden Jahr wird hier das zehnjährige Jubiläum gefeiert. Dazu sollen noch besondere Aktionen stattfinden.

Als die Idee im Jahr 2004 entstand, war gleich klar, dass hier ein ökumenisches Projekt entstehen sollte. „Die Zusammenarbeit zwischen katholischer Kirche und den evangelischen Kirchengemeinden ist im Wangerland sehr eng und sehr gut“, erklärt die evangelische Pastorin Sabine Kullik. Mit ihrem früheren katholischen Kollegen Jens Schmidt und der Unterstützung durch einen Arbeitskreis arbeitete sie den Pilgerweg aus. Finanziell wird das Projekt von der Wangerland Touristik bezuschusst. So wird hier zum Beispiel das Kartenmaterial zur Verfügung gestellt, das es für eine geringe Schutzgebühr in allen Kirchen auf dem Pilgerweg gibt. Zudem können die Besucherinnen und Besucher auch einen Pilgerpass mitnehmen, in dem sie alle Kirchen vermerken, die sie schon besucht haben. Dafür liegen Stempel in den Kirchen aus.

„Viele Menschen wissen leider gar nicht, dass wir einen Pilgerweg praktisch vor der Haustür haben. Zum Pilgern muss man nicht weit weg“, sagt Pastorin Kullik. Auch auf kurzen Wegen seien neue religiöse Erfahrungen zu machen und man begegne sich selbst – wenn man das denn zulasse. „Aber ich beobachte immer wieder, pilgern verändert einen Menschen, das passiert ganz unweigerlich“, erklärt der katholische Pfarrer Lars Bratke. Der ökumenische Pilgerweg ist mit dem Fahrrad gut in zwei Tagen zu bewältigen. Wer zu Fuß unterwegs ist, braucht natürlich länger. Allerdings ist es jedem selber überlassen, an welchem Punkt er einsteigt und welche Route er verfolgt. Anders ist das bei den geführten Radtouren, die alternierend einmal von katholischer, einmal von evangelischer Seite angeboten werden. „Sie sind aber ökumenisch gestaltet, hier kann jeder bedenkenlos teilnehmen“, sagt Pfarrer Bratke.

Die Radtouren sind auf gut zwei Stunden begrenzt, das sei ein Erfahrungswert, sagen die Pastoren. Dabei werden zwei oder drei Kirchen als Zielpunkte ausgewählt, Start ist immer in Schillig. Es gibt einen Reisesegen, dann geht es am Deich entlang und man erfährt eine Menge über Land und Leute, über die Eigentümlichkeit des Kirchbaus auf den Warfen und auch, warum es zum Beispiel im Wangerland keine großen Glockentürme direkt an den Kirchen gibt. Viel zu erzählen gibt es natürlich auch zu den Details, die man in den Gotteshäusern entdecken kann. Und immer wieder gibt es natürlich geistliche Impulse mit Gebeten, Liedern oder kleinen Texten.

Ganz neu ist jetzt ein Pilgertagebuch aufgelegt worden. Pfarrer Bratke und Pastorin Kullik haben es gemeinsam mit dem Wangerländer Grafiker Andreas Reiberg herausgegeben. Hier finden sich meditative Gedanken, Gedichte und Bibelverse, aber auch Fotos, die Details aus den Kirchen aufnehmen. Bewusst ist das Büchlein in schwarz-weiß gehalten und es bietet zudem Platz für eigene Eintragungen. Den Band gibt es im Pfarrbüro in Minsen und in Jever (beide evangelisch) sowie in Schillig bei der katholischen St. Marienkirche.

Selbstständig kann man sich natürlich jederzeit auf den Pilgerweg begeben, die Kirchen sind täglich geöffnet, zumeist ab 10 Uhr. Geführte Radtouren unter dem Motto „Ökumenisch unterwegs“ finden noch am Donnerstag, 22. August, ab 10 Uhr (Nikolai Kirche, Schillig) und am Freitag, 30. August, ab 10 Uhr (St. Marien, Schillig) statt. Anmeldungen sind nicht nötig.
Annette Kellin

Auf dem Pilgerweg zu den Kirchen gibt es auch noch anderes zu entdecken, hier zum Beispiel die Stumpenser Mühle.
Pastorin Sabine Kullik und Pfarrer Lars Bratke laden auf den Wangerländischen Pilgerweg ein, den man auch per Fahrrad erkunden kann.
In den Kirchen gibt es viele Details zu entdecken, hier ein Türdrücker in der Form des Fisches.
In der St. Severinus und Jacobuskirche in Minsen findet man an vielen Stellen diese Muscheln.
Der Pilgerweg ist in einer Karte dokumentiert, im Pilgerpass können die Stationen festgehalten werden.
Im neu erschienenen Pilgertagebuch kann man auch persönliche Aufzeichnungen vermerken.
In vielen Kirchen sind die Orgeln sehenswert, hier die Orgel der Kirche in Minsen.
Die meisten Kirchen im Wangerland sind auf einer Warf erbaut. Sie werden vom Kirchhof umgeben, auf dem meist auch noch heute beerdigt wird. Fotos: Annette Kellin