Fundamente
 

Newsletter der Gemeindeberatung der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg
Nr. 3.13
Juli 2023
 

 
 
Inhalt
 
 
 
Vorwort
 

Liebe Leserin, lieber Leser,
in diesem Newsletter richten wir, im Zusammenhang mit der anstehenden Gemeindekirchenratswahl am 10. März 2024, den Blick auf die jungen Menschen in unserer Kirche. Bei der Auseinandersetzung mit der Geschichte von Jakobs Kampf am Jabbok geht es um den Mut, den Schritte in die Zukunft brauchen. Es ist wichtig und vor allem eine Binsenweisheit, dass diejenigen unter Ihnen, die bereits Ihre Erfahrungen als Kirchenälteste*r gesammelt haben, und diejenigen, die zu den Jungen in unserer Kirche gehören und bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, miteinander in den Diskurs treten werden. Eine Gelegenheit dazu bietet der Kirchenältestentag am 23.9.2023 im Ev. Bildungshaus in Rastede. Lesen Sie hier gerne weiter.
Farina Köpke, Bildungsreferentin im Landesjugendpfarramt, berichtet von eigenen Erfahrungen als Jugendliche im Gemeindekirchenrat und zählt daran anschließend auf, was junge Menschen in kirchlicher Gremienarbeit brauchen. Hier ein Erfahrungsbericht.
Chris Schellstede, ehrenamtlich unter anderem im Vorstand der ejo engagiert, fragt kritisch nach, ob denn der Satz „Die Jugend ist unsere Zukunft“ der Realität kirchlicher Gremienarbeit standhalten kann. Wo ist Jugend beteiligt, wenn es um Kirche geht?
Genießen Sie den Sommer und seien Sie herzlich gegrüßt im Namen des Teams 
Barbara Bockentin
 

 
 
Es ist ja nur ein Fluß
 

Es ist ja nur ein Fluss, den es zu überqueren gilt. Leise Hoffnung ist vorhanden, dass sie Altes mit hinüberretten können. Dann wird der Anfang auf der anderen Seite einfacher sein.
So stellt Jakob es sich vor. Doch je näher er dem Jabbok kommt, desto klarer wird ihm wie naiv dieser Gedanke ist.
Wartet auf der anderen Seite jemand auf ihn? Kann er mit seinen Erfahrungen, seiner Schlitzohrigkeit punkten? Ist das, was er mitbringt überhaupt von Interesse?
Die zu treffende Entscheidung kann nicht mehr hinausgezögert werden. Jakob sucht Zuflucht bei einem Kunstgriff: Er zeigt, was er alles in der Vergangenheit erreicht hat. 
Er schickt Familie, Dienerschaft, Herde, den gesamten Hausstand voraus. Das alles habe ich geschafft. Nicht nur für mich. Nein, auch Sicherheit für die, die mir anvertraut sind. Ich kann gut für alle sorgen. Auch für euch. Ihr könnt mir vertrauen.
So wuchert er mit seinem Erfolg. Bislang ist das nicht unbemerkt geblieben. Sein Ansehen hat er sich über Jahre hinweg verdient. Manchmal nicht ganz ehrlich - zugegebenermaßen.
Doch er ahnt, dass das für den Neuanfang nicht entscheidend sein wird. Seine Verdienste stehen ihm vielmehr im Weg. Mit ihnen gemeinsam kann er den Schritt nicht gehen. So schickt er alles Erworbene und Erarbeitete zuerst über den Jabbok. Mit der Hoffnung, dass die auf der anderen Seite das würdigen. Ihn mit offenen Armen in ihrer Mitte aufnehmen. Dass es das aufwiegt, was im Weg steht.
Deshalb zögert er, den entscheidenden Schritt zu tun. Hin- und hergerissen ist er. So kämpft er. Mit sich. Mit den Geistern der Vergangenheit. Mit Gott. Lange scheint der Kampf aussichtslos. Alte Verletzungen gelangen wieder an die Oberfläche. Seine Hypothek. Er erkennt, dass er die nicht einfach beiseitelegen kann. Schließlich trifft er auf Menschen, die er verletzt hat. Es ist die Ungewissheit, die ihn unsicher macht. Viel mehr als es ihm bislang bewusst gewesen ist, hat er bis hierher mit sich herumgeschleppt. 
Dieser Gedanke ist wie eine Befreiung. Nun kann er loslassen. Sich dem stellen, was war und was ihn bindet. Seinem Bruder gegenübertreten. Ihm in die Augen blicken. Ihm Vertrauen entgegenbringen. Zuversichtlich sein, dass ein gemeinsamer Neuanfang gelingen wird. Segensreich wird es sein.
Da steht Jakob mit seiner Familie, seiner riesigen Herde, seinem gesamten Hausstand. All das hilft ihm jetzt nichts. Da spürt er ganz deutlich. Weil es immer noch zwischen ihm und seinem Bruder Esau steht: sein Betrug. Da hilft es nicht, sich zu sagen, dass zum Gelingen ja zwei gehören. Er wollte um jeden Preis Segen. Um jeden Preis.
Irgendwie bestimmte der sein weiteres Leben. Zwar musste er fliehen, aber er gelangte zu Wohlstand. Bewies wieder einmal seine Abgebrühtheit, als er seinen Schwiegervater übers Ohr haute.
An all das denkt er nicht, als er am Fluss Halt macht. Aus einem Impuls heraus schickt er all sein Hab und Gut und seine Familie über den Fluss hinüber.
Um Esau zu besänftigen? Um seine eigene Haut zu retten? Letzteren Gedanken verbietet er sich gleich wieder. Er braucht einfach noch Zeit. Ist noch nicht so weit, den entscheidenden Schritt über den Fluss zu tun.
Dann – bei Anbruch der Nacht – tut Jakob den entscheidenden Schritt. Unbemerkt will er über den Fluss. Dann hat er den Überraschungsmoment auf seiner Seite. Vielleicht kann er so seine Haut retten.
Wie aus dem Nichts kommt der Angriff. Schnell verkeilt er sich mit der anderen Gestalt. Er kann nicht erkennen, wer das ist. Das macht ihn unsicher. Doch dann erwacht sein Kampfgeist. 
Wo hört er auf, wo fängt der andere an? Eng umschlungen, nicht voneinander zu unterscheiden, so ringen die beiden miteinander. Er kann nicht aufhören. hat das Gefühl, dann vollkommen verloren zu sein. Er bietet all seine Kräfte auf. „Ich lasse dich erst los, wenn du mich gesegnet hast.“
Eine Entscheidung fällt. Wie soll das gehen? Wer sagt mir, ob ich das Richtige tue? Mut fassen. Mit mir ringen. Mit meinen Ängsten und Vorbehalten. Dann, wie vom Himmel gefallen, ist es soweit. Jetzt weiß ich, was ich tun will. Ich fühle mich getragen. Wohl.
Jakob wagt den Schritt. Jetzt ist er soweit, sich in die erste Reihe zu stellen. Schützend vor sein Hab und Gut und seine Familie.  Weil er beschützt ist.
Er ringt mit Gott. Im wahrsten Sinne des Wortes. Er lässt ihn nicht los. Und wird von Gott nicht losgelassen. Diesmal fällt ihm nichts wie von selbst in den Schoß. Das Ringen mit Gott verändert ihn. Gesegnet geht er seinen Weg.
Welch eine Herausforderung sich dem zu stellen – was uns so manches schwermacht. Mit mir ringen. Dabei wissen, dass ich auch mit Gott ringen kann. Das nichts selbstverständlich ist. Das manches ein Kampf ist. In den kann ich gehen, weil mich die Geschichte von Jakob lehrt, dass es sich lohnt, Gott nicht loszulassen, weil er mich nicht loslässt.
Barbara Bockentin
 

 
 
Ritschies Reste ... Gedanken aus dem off